Startseite » Themen »

Zentrale Wohnungslüftung als wichtiger Baustein im Energiekonzept der Düsseldorfer Solarsiedlung

Themen
Zentrale Wohnungslüftung als wichtiger Baustein im Energiekonzept der Düsseldorfer Solarsiedlung

Zentrale Wohnungslüftung als wichtiger Baustein im Energiekonzept der Düsseldorfer Solarsiedlung
Im Rahmen des Projektes „Solarsiedlungen in NRW“ wurde im Jahre 2006 in Düsseldorf das bisher größte Neubauprojekt in Deutschland dieser Art und zugleich eine der größten Solarsiedlungen europaweit realisiert. Auf einer Fläche von über 9.000 m² befinden sich 101 Wohneinheiten zwischen 60 und 130 m². Die Solarsiedlung am Düsseldorfer Medienhafen zeichnet sich dabei im Vergleich zu anderen europäischen Großprojekten durch ihren komplexen energetischen Planungsansatz aus.

In Nordrhein-Westfalen gibt es seit über zehn Jahren das Projekt „50 Solarsiedlungen NRW“. Für das in dieser Form bisher in Deutschland einzigartige ökologische Pilotprojekt hat seinerzeit Wortmann & Scheerer, Ingenieurbüro für Wärme- und Energietechnik, vom Bundesland Nordrhein-Westfalen den Auftrag bekommen, einen Planungsleitfaden für die energetischen Kennwerte eines solchen Projektes zu entwickeln. Sprich, welche energetischen Kriterien muss ein Gebäude erfüllen, damit es sich „Solarsiedlung“ nennen darf. Insofern wurde damit „Solarsiedlung NRW“ ein geschützter Begriff. Bisher wurden ca. 30 „Solarsiedlungen NRW“ realisiert.
Die grundsätzlichen Anforderungen an eine „Solarsiedlung NRW“ sind hoch. Eine Grundvoraussetzung ist die Begrenzung der CO2-Emissionen für Heizwärme, Warmwasserbereitung und Strom auf 33 kg/m²a. Um dies zu schaffen, benötigen die Gebäude einen hervorragenden Wärmeschutz, mindestens gemäß den Anforderungen an ein Niedrigenergiehaus.

Im Fall der Düsseldorfer Solarsiedlung ist der Bauherr, die Rheinwohnungsbau GmbH Düsseldorf, sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hat die nächst höhere energetische „Ausbaustufe“ ins Auge gefasst, das so genannte Drei-Liter-Haus. Thomas Hummelsbeck, Geschäftsführer der Rheinwohnungsbau, bringt die Ausgangsituation auf den Punkt: “Im Zuge dieser Überlegungen sollte nun die Wirtschaftlichkeit des Bauprojektes im „Drei-Liter-Haus-Standard“ geprüft werden, also mit möglichst geringen Baukosten ein Maximum an Energieeinsparung zu erreichen und das alles unter Ausschöpfung einer optimalen Förderung durch das Land NRW.“
Das Energiekonzept von Wortmann & Scheerer kam dabei zu dem eindeutigen Nachweis, dass es durchaus – insbesondere auch kaufmännisch – Sinn macht, in Solarthermie, Photovoltaik, einen erhöhten Dämmstandard sowie eine zentrale Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung zu investieren. Denn nur mit diesen energetischen Maßnahmen kann der geringe Energieverbrauch eines 3-Liter-Hauses auch wirklich erreicht werden.

Die Berechnungen von Wortmann & Scheerer zeigten, dass mit Hilfe der erhöhten Förderungssätze der Bauherr trotz höherer Investitionskosten die Gesamtkosten insgesamt ausgeglichen gestalten konnte, ganz zu schweigen von dem enormen Imagegewinn, den die Rheinwohnungsbau GmbH mit diesem Publicityprojekt erzielen konnte.
Wenden wir uns nun im Detail der Wohnungslüftung zu, einem zentralen Bestandteil des gesamtenergetischen Konzeptes der Düsseldorfer Solarsiedlung. Grundsätzlich war unabhängig von einer Beteiligung am Projekt „50 Solarsiedlungen“ der Einbau einer „einfachen“ Lüftungsanlage vom Auftraggeber von Anfang an gefordert. So war bereits in der ersten Projektierungsphase die Ablufttechnik gesetzt. Der Wunsch nach hohem Komfort und hohem Energieeinsparpotential machte die Entscheidung für ein Wohnungslüftungssystem mit Wärmerückgewinnung dann sehr einfach. Hiermit können nicht nur die Heizkosten um bis zu 40 % reduziert werden, sondern es sprechen noch eine Vielzahl weiterer Gründe für diesen Einsatz, wie Ingenieur Ralph Wortmann von Wortmann & Scheerer erläutert: “Nur die Wohnungslüftung stellt den notwendigen Abtransport der Raumluftfeuchte sicher und verhindert damit eine Schimmelbildung in den Räumen. Insbesondere wenn man bedenkt, dass es bei der heutigen energetischen und damit luftdichten Bauweise keine „Fugenlüftung“ mehr gibt. Für eine Wohnungsbaugesellschaft ist die Wohnungslüftung also ein ganz entscheidender Faktor für den Werterhalt ihrer Immobilie“.
Zum anderen birgt das Thema „Raumluftfeuchte“ eine ganz besondere Problematik gerade bei Mietobjekten: Der Vermieter kann in Regress genommen werden, wenn es zu Schimmelbildungen in der Wohnung kommt.
Zudem hat die Gefahr zu feuchter Räume in den letzten Jahren erheblich zugenommen, da sich die Nutzungsgewohnheiten und damit auch das Lüftungsverhalten der Menschen aufgrund soziodemografischer Verschiebungen verändert haben, wie Ralph Wortmann weiter ausführt: “Die klassische Mieterfamilie trifft man immer weniger an, während die Zahl der so genannten Patchwork-Familien, der Doppelverdiener ohne Kinder oder auch der Singlehaushalte kontinuierlich steigt. Mit der Folge, dass seltener jemand zu Hause ist (wie vormals die klassische Hausfrau), um mehrmals am Tag die Wohnung zu lüften“.

Ein weiterer Aspekt, der zu erhöhter Raumfeuchte führen kann, sind die gestiegenen Energiepreise: Viele Mieter senken zur Kostenersparnis die Raumtemperatur ab und erhöhen somit den Feuchtegrad der relativen Luftfeuchte.
Bei der Düsseldorfer Wohnanlage kam noch eine spezielle Lüftungsnotwendigkeit hinzu, wie Ralph Wortmann erklärt: “Die Düsseldorfer Anlage liegt sehr zentral an Hauptverkehrsstrassen. Mit einer zentralen Wohnungslüftung konnte man das Problem der doch erheblichen Lärmbelästigung lösen, da das System automatisiert einen kontinuierlichen Luftaustausch gewährleistet. Neben dem Energiespargedanken war dieser Komfortaspekt der Luftqualität ein entscheidendes Argument für den Einsatz der komfortablen Wohnungslüftung“.
Zum Einsatz kamen 13 zentrale Großgeräte vom Typ Zehnder Comfoair 1500, die über 100 Wohneinheiten mit Frischluft versorgen. Der Entscheidung für wenige Zentralgeräte lagen folgende Überlegungen zugrunde: Hätte man jede Wohnung mit einem eigenen Lüftungsgerät ausgestattet, wäre naturgemäß erheblich mehr Strom verbraucht worden sowie ein Vielfaches an Wartungsaufwand angefallen. Die jetzt noch notwendigen Wartungsarbeiten können leicht in Abwesenheit des Mieters durchgeführt werden.
In der Vorplanung hat man daher in den Wirtschaftlichkeitsberechnungen unterschiedliche Ansätze verfolgt mit dem Ergebnis, letztendlich sich für weniger, aber dafür größer dimensionierte Zentralgeräte zu entscheiden, die jeweils eine ganze Haushälfte mit mehreren Wohneinheiten versorgt haben.
Marco Bender, Gebietsleiter vom Lüftungshersteller Zehnder, erläutert die Installation der Wohnungslüftung: „Im Eingangsbereich jedes Häuserriegels wurde über dem Treppenhaus im Dachgeschoss ein zentrales Lüftungsgerät installiert. Ein Gerät versorgt jeweils 8-10 Wohneinheiten, 4-5 Wohnungen auf jeder Treppenhausseite. Ein Zentralgerät regelt Außen- und Fortluft über entsprechende Öffnungen im Dach. Die aufbereitete Luft wird dann jeweils in die Wohnungen transportiert. Dabei wird der Schacht zwischen Wohnungswand und Treppenhaus für die Leitungsführung genutzt: In jedem Schacht verläuft eine Zu- und eine Abluftleitung für die Wohnungslüftung. Über Volumenstromregler – für Ab- und Zuluft – sind jeweils 4-5 Wohnungen einer Treppenhausseite an das zentrale Lüftungsgerät angeschlossen“.
Der Mieter kann darüber hinaus für jede Wohneinheit über einen Dreistufenschalter den Grad der Lüftung individuell regeln und sich für die Minimal-, Grund- oder Partylüftung entscheiden. Eine Konstantdruckregelung in den Steigeleitungen sorgt dabei immer für
die notwendige Luftmenge zu den Wohnungen. Somit ist gewährleistet, dass dem Mieter – abgestimmt auf seinen individuellen Bedarf – immer genügend frische Luft in seiner Wohnung zur Verfügung steht. Der Feuchteschutz jeder Wohnung wird über die Minimallüftung erreicht, die nicht unterschritten werden kann.
Zudem verfügen alle Geräte über ein Vorheizregister, welches die Luft bei entsprechenden Kältegraden vorwärmt. Dieses Vorheizregister wird über Erdsonden gespeist. Im Sommer werden die Erdsonden genutzt, um das angrenzende Bürogebäude zu kühlen.
Die Verrohrung der Lüftung geschieht über abgehängte Decken in den Fluren der Wohnungen. Mit 20 cm bewegt sich die Deckenabhängung aber in einem Minimalbereich, der in keiner Weise die Optik der Räumlichkeiten beeinträchtigt. In den Wohnungen bleibt die Lüftungstechnik somit bis auf dezente Zu- und Abluftdurchlässe in den Räumen „unsichtbar“.
Aufgrund des beschriebenen Energie- und Klimastandards ist die Solarsiedlung Düsseldorf für den Mieter ein äußerst interessantes Wohnobjekt, da er gegenüber vergleichbaren Wohnungen ohne Mehrkosten eine erhebliche Komfortsteigerung erfährt, bei zugleich wesentlich geringeren Nebenkosten: Mit durchschnittlich 8,60 € pro m² konnte der Mietpreis insbesondere für Düsseldorfer Verhältnisse äußerst attraktiv gestaltet werden. Und gerade diese niedrigen Energie- bzw. Nebenkosten waren letztendlich neben der Vorzugslage am Düsseldorfer Medienhafen auch ausschlaggebend für die hohe Nachfrage an Neumietern. So bewarben sich während der Mieterakquisition durchschnittlich mindestens fünf Bewerber pro Wohneinheit. Innerhalb weniger Monate war damit die gesamte Wohnfläche der Solarsiedlung vermietet. Die Investition in geförderte energetische Baukonzepte stellt also auch für Wohnungsbaugesellschaften eine äußerst lukrative Option dar, sich im oft überhitzten Immobilienmarkt positiv zu behaupten.
Zusammengefasst kann man festhalten, dass es bei der Solarsiedlung Düsseldorf ausschließlich Gewinner gibt: Den Vermieter, weil er eine langfristig wirtschaftliche, zukunftstaugliche Immobilie im Bestand hat. Den Mieter, weil er im Vergleich zu einem ähnlichen Wohnstandard ohne Mehrkosten eine erhebliche Komfortsteigerung bei wesentlich verringerten Nebenkostenkosten erfährt. Und nicht zuletzt die Umwelt, da sie erheblich weniger belastet wird.
Übrigens: Aufgrund des großen wirtschaftlichen Erfolgs der Solarsiedlung am Medienhafen plant die Rheinwohnungsbau mit Wortmann & Scheerer für 2008 bereits die nächste Solarsiedlung in Düsseldorf Garath mit insgesamt 114 Wohneinheiten.

arcguide Sonderausgabe 2023
Projekte
arcguide Partner
Architektenprofile
 


Sie möchten auch Ihr Büro präsentieren und Ihre neuesten Projekte vorstellen? Zum Antragsformular »


Sie haben bereits ein Büroprofil auf arcguide.de und möchten Ihre neuesten Projekte vorstellen? Zum Projektformular »

Ausschreibungen
Konradin Architektur
Titelbild md 03-04
Ausgabe
03-04.2024 kaufen
EINZELHEFT
ABO

 


Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de