Doppelhäuser sahen bisher anders aus. Sie verdoppelten Identisches, Wand an Wand, und provozierten nachträgliche Individualisierungen. Hier kommunizieren zwei von Anfang an eigenwillige Hauspersönlichkeiten so eng miteinander, dass die funktionalen Grenzverläufe die stilistischen überspringen. Der über 50 Jahre alte Ursprungsbau ist ein fast original erhaltenes Siedlungshaus vom Typ E12 der gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft Aachen, ein sparsamer Grundriss mit einfachen Raumzuschnitten.
Dem Klassiker stellte der Architekt Matthias Schmalohr einen zweiten material- und farbkonsistenten Klassiker zur Seite: einen Kubus, dimensioniert nach den Schaltafeln, mit eigenwilliger, dramatisierter Fenstermelodie. Daraus entsteht eine Collage völlig unterschiedlicher Epochen, Raumfolgen und Materialien.
Trotzdem greifen die Funktionen konsequent und fließend ineinander. Im Obergeschoss des nur 95 Quadratmeter großen Neubaus nutzt die junge Familie zur Zeit zwei Drittel des Dachgeschosses im Giebelhaus der Großeltern: ein Bad mit vorgelagerter Ankleide und ein Kinderzimmer. Veränderungen dieses Zusammenspiels sind leicht möglich. Die Südorientierung der Eingangsfront mit der klassischen Glasfuge zwischen Alt und Neu erlaubt sogar eine kurzfristige Umnutzung des luftigen Carports zur zweiten, gedeckten Terrasse. 
 
Die bauliche Entwicklung des Grundstücks scheint mit dem angesetzten Kubus lediglich einen Zwischenstand gefunden zu haben. Der gegenwärtigen Nutzung entsprechend artikulieren die beiden nur filigran gekoppelten Adressen unterschiedliche Entstehungszeiten und Lebenssituationen. Auf der einen Seite romantische Kleinteiligkeit, auf der anderen die Brisanz großer Öffnungen, weiter Durchblicke und mehrgeschossiger Durchdringungen. Minimalismus, Material- und Farbbegrenzung, versteckte Technik, totale oder gezielte Ausblicke beherrschen den modernen Innenraum. Die Belichtung des vor Einblick geschützten Essplatzes erfolgt über das große Ostfenster der Bibliotheksgalerie. Das WC des Erdgeschosses, im Eichenschrank eingebaut, bleibt auch an der Außenwand dunkel. Das Elternzimmer oben ist nur eine bettlange Schlafkabine mit getrennten Zugängen wie auf einem Schnelldampfer der zwanziger Jahre. Kein Zubehör auch im Inneren, glatte Wand- und Möbelflächen treffen sich in einer Schattenfuge. Archaisch und harmonisch   Anspruchsvolle Innenräume leben oft von Zeitsprüngen und Kontrasten. Entscheidend für die Gesamtwirkung ist dann die Qualität der Einzelelemente. Im Stadtbild mutet dieser Ansatz ungewöhnlicher an, obwohl hier regelmäßig Zerrissenheit und nicht Struktur dominiert. Das umgebende Siedlungsbild in der westfälischen Kleinstadt Oelde zeigt zwar das Steildach als vorherrschendes Prinzip, aber in vielfältiger Formgebung und Materialität. Aus dem Grundprinzip entsteht städtebaulich kein einheitlicher Kanon. Bislang wurden Anbauten nur eingeschossig und mit 45-Grad-Dach genehmigt. Der nackte Kubus ohne Dach fügt sich gerade in seiner das Dachrot zitierenden Farbgebung harmonischer ein, das überzeugte auch die Baubehörde auf Anhieb. Die äußere, 20 cm starke Betonschale wurde abschnittweise betoniert und von innen mit 8 cm Wärmedämmung, einer PE-Folie sowie einer 15 cm starken Innenschale aus Porenbetonsteinen ausgestattet. Nur auf diesem inneren Mauerwerk liegt die Zwischendecke auf. Die Fassadenöffnungen entstanden mit Hilfe einer Klappschalung, die ein Betonieren von Fensterbänken mit leichtem Gefälle erlaubt. Die baugleiche fünfte Fassade, konstruktiv mit allen weiteren Fassaden unmittelbar verbunden, besteht aus einer im Minimum 34 cm starken hochbewehrten Betondecke mit einem geglätteten Innengefälle von zwei bis drei Prozent. Der unverwüstliche, archaisch belassene Naturbaustoff Beton lässt ein ungestörtes Dasein erwarten.  
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