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Landesparlament Liechtenstein

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Landesparlament Liechtenstein

Das so genannte 'Grosse Haus' der Regierung als Exekutive stellt bereits eine der drei demokratischen Staatsgewalten. Ein so genanntes 'Hohes Haus' für das Parlament als Legislative hatte somit im beabsichtigten 'Regierungsviertel' den anderen Pol deutlich darzustellen. Das 'Hohe Haus' erhält dabei symbolisch die gleiche Höhe wie das 'Große Haus'. Diese herausragende Rolle soll es auch signifikant und eigenständig verkörpern, etwa so wie manche alte Ratshalle noch heute für das Selbstbewusstsein der Bürgerschaft wohlhabender Handelsstädte steht und dabei wenig mehr zu sein braucht als die Urform eines Hauses.

Das 'Erste Haus am Platz', ja sogar das 'Erste Haus im Lande', dem 'Regierungsviertel' das zusammenhängende Gefüge eines Quartiers zu geben – ein hoher Anspruch an einen Bau, der sich – der bedeutenden Aufgabe entsprechend – also so wohl individuell als eine der Staatsgewalten markant darstellt, als auch zu gleich rahmend in die Gemeinschaft der Monumente – der civitas, der Gemeinde und der res publica, dieses Staates – einfügt, um so Vorhandenes wie Kommendes zusammen zu fügen zum Forum, zu einer kleinen Agora, einem 'Landesforum'.

Ein scheinbar 'unzeitgemässer impetus': alle Extreme – die ausschliessliche banale Sachgläubigkeit eben so, wie die überzogener künstlerischer Egozentriertheit – zu überwinden. Denn es geht um die beste Konvention, – nicht um das Opportune. Es geht um common sense, – nicht um Besonderheit. Dieses Bewusst-sein nimmt vorweg, dass Bauten nicht nur Aufgaben zu dienen haben, sondern lange Zeiten bestimmen, dabei Orte stiften, Gemeinschaft abbilden, und den Geist seiner Beteiligten verkörpern. Im Jahr 2000 führte mich eine zweite Einladung erneut zu einem europäischen Wettbewerb mit internationalen Kollegen in das Fürstentum. Trotz des 1991 durch Volksreferendum gescheiterten Parlamentsprojektes von Luigi Snozzi gilt sein kühner Wurf eines Masterplan seit 1987 als Ziel zu einer räumlichen Ausformung des Städtle zu einem so genannten 'Regierungsviertel'. Diese uneingelöste Chance zu einem ersten staatlichen und auch städtischen Zentrum wurde im Wettbewerb fast ausnahmslos mit Solitären vertan. Anders formen die Setzungen dieses Projektes ein neues, räumlich erlebbares 'Landesforum' als Gegenpol zum städtischen Zentrum am Rathaus, und im ensemble aus Fragmenten historischer Monumente mit neuen klaren Elementen in Masstab, Material und Monochromie. 'Fortsetzung' hiess hierzu unser code im Wettbewerb gegen die Konkurrenz. Nomen est omen – Snozzis 'polis' in diesem Streubild des Bestandes zu interpretieren hiess: fortsetzen wollen wir die 'Reihenfolge' nach dem Auftakt des Landesmuseums durch die nächsten Sequenzen. Folglich werden unsere Bauten innerhalb einer Art 'murus serpentinus' auf seiner städtebaulichen Spur am befestigten Hangfuß die Entwicklung eines gefassten Landesforums weiter interpretieren bis zu einem anschliessenden Landesarchiv. Vor dieser contour entsteht durch Auseinanderrücken von 'Großem Haus' und 'Hohem Haus' ZwischenRaum für die Zwiesprache beider Gewaltenzentren.

'An dem Ort an dem alles nur besonders sein will, wird am Ende nichts Besonderes zu finden sein', so Petra Kiphoff, Die Zeit. So hat sich hier der Anspruch herumgesprochen: Wettbewerbsentwurf und Bau dieses Architekten wollen nicht egozentriert, nicht formalisiert, nicht übersteigert die Despotie der Solitäre mehren, – sondern versuchen vielmehr mit Sinn für Maßstäblichkeit, Raum, Licht und Material die bauliche Verkörperung der Frage nach einem Zusammenklang von grundlegenden Verwurzelungen und den genannten übergeordneten Zusammenhängen. Doch die andere Art von Arbeit dahin bedeutet heute zwangsläufig und unfreiwillig 'unzeitgemäss sein', – also nach Nietzsche nichts weniger als 'die entschlossene Absicht, in der Zeit gegen die Zeit und für eine zukünftige Zeit zu denken und zu handeln'. Denn für eine solche Aufgabe ist – auf besondere Weise dienend – das deutlichste Beispiel zu verlangen.

In diesen Kontext werden also klare Elemente gesetzt:
das 'Lange Haus' als 'dienender' Flügelbau – der internen Bereiche als Hintergrund entlang des Bergfusses –
das 'Hohe Haus' als 'bediente' Hauptsache – des öffentlichen plenum in seinem Vordergrund –
der 'Grosse Garten' als 'eingefriedender' Kabinettgarten – zur Einfassung der genannten Einzelmonumente.

Fortgesetzt wird durch das 'Hohe Haus' auch die Perlenschnur der im Städtle typischen historischen Reihung von Einzeltypologien. Seine in schlichter Prägnanz gehaltene Urform wird damit als zeitlose Elementarform den Ausdruck von Selbstverständnis, Gemeinwesen und Bedeutung des Landesparlamentes als bürgerlichem plenum eines prosperierenden Berglandes verkörpern, – so wie einst die Rathäuser des Bürgertums gegenüber den Domen des Klerus. Davor wird sich also die weiträumigere Einbindung in ein erlebbares Ensemble formen, als einer Art 'collage urbain' aus diesen Elementen. Erst in diesem Rahmen wird letztlich die umfasste räumliche Mitte eines Festplatzes als 'Großes Landesforum' im beabsichtigten Regierungsviertel entstehen.

Fortsetzen soll sich auch mit der wetterfesten Substanz sinnlich gemachten Klinkerpflasters und -Mauerwerks als hell-leuchtend, tonfarbenes 'material brût' bis ins Dach die Farbe des Berges wie die der puren hellen Kalkputze und Sandsteine des Kontextes. Ich sah darin die selten gewordene Chance zu einer harmonischen, materiellen und monochromen Durchgängigkeit für den gesamten Zug der 'murus serpentinus', – vom Landesmuseum über das Landesparlament zu einem anschliessenden Landesarchiv, – als ductus und tenor eines gemeinsamen Rahmens – 'aus einem Guss'. In dieser contour erst kann und soll mehr entstehen als nur ein 'Hohes Haus' als weiterer Bau: ein zeitloses Ensemble ist die angemessene Absicht – in dessen Schwerpunkt die Zwiesprache aus 'Großem Haus' und 'Hohem Haus'.

Building is an expression of social composure in the first instance, especially where a chamber of the people is concerned. A structure of this kind that, like the Duchy of Liechtenstein’s new National Forum and Parliament, has additionally been placed in an urban context and provides a venue for public affairs therein needs to lend expression to this lofty ideal.

Gottfried Semper recognised in the “coordination and subordination” of spatial individuals the expression of a community grouped around a centre, around a moral element in its symbolically heightened form. It is a principle that found application in architecture during the period of the Roman Empire, and it serves as a starting point for Camillo Sitte’s investigation of urban architecture when he stresses the importance of “hypaethral assembly halls”, as he calls such fora. The most prominent buildings in any urban entity are clustered round the square that constitutes the nucleus of public life and hence, as well as being a gathering place, is also imbued with symbolic content.

The “Government District” in Vaduz had been the object of urban planning activities as recently as the late 1980s – on that occasion Luigi Snozzi won with his “Polis” submission in which he lent the ensemble comprising the National Museum, the Administrator’s House and the “Great House” a structural framework as the seat of government. The flank of the adjoining castle hill was to be framed by a curving structure and the public buildings – St. Florin being added later – were to be linked by a newly fashioned square. The present draft takes up these basic themes and – in part at least – retraces Snozzi’s “spatial hillside” in the curving body of the administrative wing. The “High House” is an archetypal house on the outside yet, with its round table, clearly advocates assembly “around a centre” on the inside. It stands self-confidently next to the government building in a form of composite materiality that nevertheless has a monolithic effect.

The “Great House” of the government executive already constituted one of the three democratic powers of State. A High House for the legislative parliament accordingly needed to represent the other pole in the government district intended for Liechtenstein in no uncertain manner. The High House has in the process symbolically acquired the same height as the Great House. It is also designed to embody this outstanding role meaningfully and self-sufficiently – much in the way many an old town hall still today stands for the self-assurance of the citizenry in wealthy merchant towns and needs to be little more than the primal form of a house to achieve this.

Functioning as the “first house on the square”, indeed the “first house in the country” – imbuing the government district with a quarter’s cohesive texture – puts a great onus on a building that strikingly displays itself as an individual entity and one of the powers of State whilst simultaneously framing and fitting in with the community of monuments – the civitas, the municipality and the res publica – in order to merge the existing and the coming into the forum, into a small agora. What is called for is the best convention, not that which is opportune. It’s all about common sense as opposed to special effects. This approach presumes that, as well as having to serve functions, buildings also define long periods of time and in the process create places, form communities and incorporate the spirit of all involved.

Despite Luigi Snozzi’s parliament project having been rejected in a referendum conducted in 1991, his bold masterplan conceived in 1987 has been regarded as the goal of turning the little city into a government district ever since. This unredeemed opportunity for a first State and, indeed, urban centre was almost exclusively squandered in favour of stand-alones in the competition. The thrust of the latter project, by contrast, is towards a new, spatially liveable “National Forum” as a counterpoint to the urban centre at the city hall that fuses fragments of historical monuments with new clean-lined elements of like scale, materials and monochromatics.
Text von der Webseite FSB, www.fsb.de/English

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