Startseite » Themen »

Gestuft und geschichtet

Themen
Gestuft und geschichtet

Mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche sollte auch der Dres­­de­ner Neumarkt zu einem lebendigen Teil des Stadt­zen­trums werden. Unmittelbar gegenüber der Frauenkirche wurde das Quartier 1 als erstes von insgesamt acht geplanten Quartieren wieder aufgebaut. Die Mischung zeitgenössischer und historisch nach­empfundener Fassaden bildet einen kontrastreichen Rahmen für den Stadtplatz. Optisch tritt dabei die Fassade des Gebäudes An der Frauenkirche Nr. 3 besonders hervor: Wie ein Mantel um­hüllt die vorgehängte Naturstein­fassade das Wohn- und Ge­schäftshaus. Großforma­tige Mauer­ta­feln aus Porenbeton tragen die Natursteinhülle und sorgen für die nötige Wärmedämmung.

Über Jahre hinweg war in Dresden die Bebauung des Neumarkts An­lass für höchst kontroverse Diskussionen. Dabei wurden nicht nur Fragen und Ansprüche an die Architektur im Allgemeinen aufgeworfen, sondern auch philosophische Aspekte zur Rekonstruktion vollständig zerstörter Gebäude sowie der Umgang mit der Architektur der Gegen­wart thematisiert. Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss: Er sah einen Wiederaufbau jener Gebäude vor, die gut dokumentiert waren und die kunsthistorisch und städtebaulich als besonders wertvoll eingestuft wurden. Sie sollten durch Neubauten ergänzt werden, die sich nach strengen gestalterischen Regeln zu­rückhaltend und harmonisch ins Stadtbild einfügen.

Das zuerst realisierte Quartier 1 erstreckt sich zwischen Frauenkirche und Töpferstraße. Ursprünglich bestand es aus 18 voneinander unabhängigen Einheiten. Da die Wiederherstellung dieser Kleinteiligkeit aber wirtschaftlich kaum zu vertreten war und um eine bessere Nutzung der Immobilien gewährleisten zu können, wurden jeweils zwei Parzellen zusammengefasst, so dass schließlich insgesamt neun eigenständige Gebäude mit gemeinsamer Bodenplatte entstanden sind. Äußerlich jedoch wird die ehemalige Kleinteiligkeit des Gebietes wieder hergestellt. Jede der 18 Parzellen bekommt eine eigenständige Fassade. Zwischen den historisierenden schieben sich die klar strukturierten Fassaden der ergänzten Neubauten auf. Damit sich ein möglichst abwechslungsreiches Fassadenbild ergibt, wurde ein Wettbewerb ausgelobt, dessen preisgekrönte Entwürfe schließlich realisiert wurden. Das gesamte Quartier präsentiert so eine kontrastreiche Mischung verschiedener architektonischer Handschriften. Der preisgekrönte Entwurf des Dresdener Architekturbüros Woerner und Partner für das Gebäude An der Frauenkirche 3 sah vor, den Stahlbetonkern mit einer vorgehängten Fassade aus grünem Dolomit und rötlichem Muschelkalk zu verkleiden, die als geschlossenes Element über das gesamte Dach hinweggeht und das Haus auf der Vorder- und Rückseite gleichsam wie ein steinerner Mantel umhüllt.

Die Realisierung des Konzeptes allerdings erwies sich als technische Herausforderung. Die ursprüngliche Idee, den Mantel als massiv ge­mau­erte Steinkonstruktion mit 28 cm dicken Steinen auszuführen, er­wies sich als sehr aufwändig und wurde aus Kosten- und Termin­grün­den verworfen. Das zur Ausführung gekommene Konzept sah statt dessen vor, die senkrechten Flächen des Stufendaches mit einer Vor­satz­schale aus Porenbeton-Mauerwerk zu versehen. Die ver­bliebene waagerechte Fläche wurde mit Füllsteinen – ebenfalls aus Porenbeton – geschlossen, auf denen dann die Dachabdichtung aufgebaut wurde. Die beabsichtigte massive Wirkung wurde durch die Verkleidung der seitlichen Flächen des Mantels mit 2,5 Zentimeter dicken Naturstein­platten erreicht.

Weitere konstruktive Fragen stellten sich bei der Ausführung des trep­pen­förmig gestuften Daches. Durch die Verletzungsgefahr von Wärme­dämm­verbundsystemen konnten eventuelle Schäden langfristig nicht sicher ausgeschlossen werden. Um sie zu beheben, hätte im Extremfall der gesamte Mantel abgebaut werden müssen. Mit der Ausführung in Ytong Porenbeton konnte eine ausreichende Wärmedämmung sichergestellt werden. Der Baustoff bietet auf Grund seiner feinporigen Struk­tur mit einem Lambda-Wert von 0,08 W/mK den besten Dämmwert für Massiv­baustoffe. Schon bei einer Wanddicke von 36,5 Zentimetern bestehen so optimale Voraussetzungen für eine energiesparende Ge­bäu­de­hülle entsprechend den Vorschriften der Energie-Einsparverord­nung (EnEV), ohne dass eine zusätzliche kostenaufwändige Wärmedämmung notwendig ist.

Im vorliegenden Fall wurde die Konstruktion mit einer doppelten Lage aus Ytong Mauertafeln ausgeführt, die bereits fertig zur Baustelle geliefert werden. Ytong Mauertafeln sind vorgefertigte Mauerwerkselemente aus Porenbeton, die in Bezug auf Länge oder Giebelschrägschnitt entsprechend der individuellen Planung exakt nach Maß gefertigt werden. Dabei werden die einzelnen Elemente im Werk wie herkömmlich senkrecht im klassischen Mauerverband entsprechend den Richtlinien der DIN 1053-1 gemauert. Die industrielle Vorfertigung sowie die hohe Maß­genauigkeit des Baustoffs, der im Dünnbettmörtelverfahren zusammengefügt wird, und eine EDV-unterstützte Fertigungsplanung ermöglichen planebene Wandflächen und garantieren den Folgegewerken die Ein­haltung der vorgegebenen Maße. Gleichzeitig verhindert die wetterunabhängige Produktion und Zwischenlagerung im Werk witterungsbedingten Stillstand auf der Baustelle und sichert die termingerechte Be­reit­stellung des Materials. Eingesetzt wurden Mauertafeln der Stein­festigkeitsklasse PPEW 4 in den Dicken 17,5 und 24 Zentimeter. Da­bei wurden auf der Fläche mit einer Länge von insgesamt 9 Metern jeweils zwei Elemente nebeneinandergesetzt – die dickere Tafel innen, die schmalere außen. Die Längenproduktion richtet sich nach den Vor­ga­ben aus der Grundrissgestaltung, wobei Längen von 1,25 bis maximal 6 Meter hergestellt werden können.

Die Elemente wurden montagefertig und termingerecht entsprechend dem Bauablauf und Tagesbedarf zur Baustelle geliefert. Pünktliche An­lieferung, zuverlässige Einhaltung der Sondergenehmigungen für das Befahren des Neumarkts, exakt abgestimmte Montageabläufe und gute Koordination zwischen Bauleitung, Spedition und Xella-Disposition waren auf der prominent gelegenen Baustelle entscheidend für das Gelingen des Objektes. Die Verarbeitung erfolgte per Mobilkran direkt vom LKW aus. Dabei wurden die Elemente höhen- und fluchtgerecht ins Mörtelbett gesetzt, ausgerichtet, gesichert und in den Stoßfugen mit Mörtel verfüllt. Im unmittelbaren Anschluss wurden die Stahlprofile zur Befestigung der Fassadenbekleidung montiert. Insgesamt war die Montage von 32 Mauertafeln inklusive der Unterkonstruktion für den Steinmantel in zwei Tagen beendet. Eine sensible Montageausführung speziell auf der Rückseite des Gebäudes verhinderte Schäden am bereits fertiggestellten glasüberdachten Innenhof.

Weitere Informationen:

Gestuft und geschichtet

Keywords
arcguide Sonderausgabe 2023
Projekte
arcguide Partner
Architektenprofile
 


Sie möchten auch Ihr Büro präsentieren und Ihre neuesten Projekte vorstellen? Zum Antragsformular »


Sie haben bereits ein Büroprofil auf arcguide.de und möchten Ihre neuesten Projekte vorstellen? Zum Projektformular »

Ausschreibungen
Konradin Architektur
Titelbild md 03-04
Ausgabe
03-04.2024 kaufen
EINZELHEFT
ABO

 


Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de