Bauaufgabe
Die neue Chinesische Nationalbibliothek in Peking ist die drittgrößte Bibliothek der Welt und bietet Platz für 12 Millionen Bücher. Das Architekturbüro von Jürgen Engel hat mit der Nationalbibliothek in Peking einen imposanten Bau errichtet, in dem nun der Kern der chinesischen Zivilisation zu sehen ist. Das Bauwerk, das nichts Geringeres als die kulturelle Keimzelle Chinas beherbergt, ist das neue Domizil für die „Vollständigen Bibliothek der vier Büchergattungen“ oder auch „Si Ku Quan Shu“ genannt, die im Jahre 1782 unter Kaiser Qianlong fertig gestellt wurde. Sie umfasst mehr als 36.000 vormoderne Texte und ist von unschätzbarem historischem Wert. Die Architekten sollten jedoch nicht nur ein Gehäuse für die kulturellen Schätze der Vergangenheit entwerfen, sondern auch ein Gebäude entwickeln, das in die Zukunft blickt. Die historische Sammlung sollte daher durch eine moderne, digitale Bibliothek ergänzt werden. „Alle Eigenschaften zu vereinen war für uns eine der größten Herausforderungen. Wir mussten ein zeitloses und dennoch innovatives Gebäude entwerfen. Es sollte einprägsam sein und doch nicht so aufdringlich, das es von dem unschätzbaren Inhalt ablenkt.“, fasst Jürgen Engel die wesentlichen Aspekte der anspruchsvolle Bauaufgabe zusammen.
Entwurf / Städtebauliches Konzept
Die heterogene Stadtlandschaft von Peking verlangte nach einer klaren, ruhigen Grundform. Deshalb ließen sich die Architekten von der klassischen Aufteilung eines öffentlichen Gebäudes in China inspirieren: Der Sockel mit aufsteigender Treppe, ein offener (und transparenter) Säulenteil und das Dach. Vor dem Hintergrund dieser traditionellen Bauform suchten sie nach einer zeitgenössischen Interpretation. Wie bei chinesischen Gebäuden dieser Art üblich, sollte dabei das optische Schwergewicht auf dem Dach liegen.
Die Dreiteilung des insgesamt 27 Meter hohen Bibliotheksneubaus war auch aus funktionalen Gründen nahe liegend.
– Die Basis bildet ein massiv wirkendes Sockelgebäude, das die alte Bücher- und Schriftensammlung beherbergt. Es steht sinnbildlich für die reiche Tradition der chinesischen Kultur und somit für die Vergangenheit.
– Der verglaste Zwischenraum zwischen Sockel und Dach, der wie eine transparente Fuge wirkt, steht für die Gegenwart. Hier befindet sich der öffentliche Bereich mit Infoständen, Foyer und Cafeteria sowie der Zugang zum Lesesaal.
– Den oberen Abschluss der Bibliothek bildet die Stahlkonstruktion des Dachkomplexes, welche den großen Lesesaal stützenfrei überspannt und zu den Seiten hin rund 12 Meter weit über das Sockelgebäude auskragt. Die Dachkonstruktion mit Abmessungen von 120 auf 105 Metern und einer Höhe von 10 Metern beherbergt auf zwei Etagen den Medien- bzw. digitalen Bereich der Nationalbibliothek.
Die flache Form des Daches mit seiner silbrig schimmernden Dachhaut aus Stahlblech erinnert an einen digitalen Datenspeicher – oder eine große Festplatte – und bildet (als scheinbar „leichte“ Konstruktion) einen bewussten Kontrast zum massiven, mit Naturstein verkleideten Kubus des Sockels. Alt und Neu, Tradition und Innovation stehen sich in den Gebäudeteilen gegenüber und sind dennoch harmonisch miteinander verbunden.
Der Lesesaal
Der Lesesaal mit ca. 2000 Plätzen und seinem mehrgeschossigen, in warmem Holz gehaltenen Innenraum, stellt das Zentrum der neuen Bibliothek dar. Er erstreckt sich vom ersten Untergeschoss bis zum dritten Obergeschoss. Das gläserne Dach erhellt den Lesesaal mit Tageslicht von oben. Von vielen Lese- und Arbeitsplätzen, die sich als umlaufende Emporen um den zentralen Lichthof gruppieren und nach unten hin abstufen, kann man auf den massiven, zweistöckigen Würfel aus weißem Marmor im unteren Teil des Gebäudes schauen. Hier wird die „Bibliothek Der Vier Büchergattungen“ (Si Ku Quan Shu) aufbewahrt.
Außenraumgestaltung
Ein Wassergraben und Grüngürtel umrahmen das Gebäude. Der Wassergraben sorgt für Lichtreflexe an der Unterseite der weit auskragenden Dachkonstruktion und betont deren schwebenden Charakter.
Weitere Informationen: