Nach seinem Ausstieg bei Steelcase übernahm Henning Figge die Präsidentschaft des europäischen Herstellerverbandes FEMB. Im ersten Teil unseres Exklusivinterviews erläutert Figge die Ziele seiner zweijährigen Amtszeit.
Mensch&Büro: Herr Figge, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Aufgabe. Bislang führte die FEMB (Fédération Européene du Mobilier du Bureau) in der Öffentlichkeit eher ein Schattendasein. Wie wollen Sie das ändern?
Figge: Die FEMB hatte bis vor etwa drei Jahren stark unter der Konsolidierung der Märkte zu leiden, in deren Folge sich einige nationale Verbände aufgrund rückläufiger Mitgliederzahlen auflösten bzw. zumindest weniger aktiv auf europäischer Ebene arbeiten konnten. Genau diese Entwicklung gibt aber derzeit der FEMB Rückenwind, da sie für eine zunehmende Zahl europaweit tätiger Büromöbelhersteller die richtige Organisation ist für ihre Interessenvertretung und zum gegenseitigen Austausch untereinander. Die Agenda der deutschen FEMB-Präsidentschaft umfasst neben der Ausweitung unserer Öffentlichkeitsarbeit als Industrie-Interessensvereinigung die Etablierung eines europäischen Nachhaltigkeitszertifikats sowie die Einrichtung einer zuverlässigen europaweiten Marktstatistik. Hier war die Datenverfügbarkeit in der Vergangenheit eher lückenhaft.
Mensch&Büro: Wie konkret soll das Nachhaltigkeitszertifikat aussehen? Figge: Wir alle kennen in Deutschland den blauen Engel oder in Frankreich den NF environment. So gibt es für fast jedes Land in Europa unterschiedliche Umweltzertifikate oder nationale Normen, die jedoch untereinander häufig nicht kompatibel sind und darüber hinaus von den Herstellern einen hohen Aufwand für die Erlangung der Prüfzeugnisse erfordern. Genau hier setzt unser FEMB Nachhaltigkeitszertifikat an: Wir arbeiten in unseren Technical Committee unter der Leitung des Italieners Marco Fossi mit Hochdruck an einem europäischen Zertifikat, welches auf der einen Seite die diversen europäischen Anforderungen gesetzlicher und normativer Art erfüllt, andererseits aber auch eine höchstmögliche Kompatibilität mit dem amerikanischen e3/level-Zertifikats mit sich bringt. Damit gehen wir bewusst andere Wege als DGNB oder US Green Building Council, die im Gebäudesektor mit einer Vielzahl konkurrierender Zertifikate zu einer Komplexität geführt haben, die nicht im Sinne einer von der absoluten Größe weltweit überschaubaren Büromöbelindustrie sein kann. Unser Ziel ist es, im Laufe des nächsten Jahres das FEMB Nachhaltigkeitszertifikat zu veröffentlichen. Damit wollen wir beispielgebend für eine supranationale Zusammenarbeit auch über die Grenzen Europas hinaus sein. Von amerikanischer Seite sehen wir eine große Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens der BIFMA. Mensch&Büro: Was muss auf Branchenseite passieren, um das Thema Nachhaltigkeit effektiver als Marketing- und Verkaufstool einzusetzen?
Figge: Die erfolgreiche Einführung des Quality Office Zertifikats in Deutschland zeigt, dass bei großer Geschlossenheit aller Handelnden solch ein Label relativ schnell in einem Markt etabliert werden kann. Erforderlich für den Erfolg des FEMB Nachhaltigkeitszertifikats (bis zu dessen Einführung wird es sicher auch noch einen griffigeren Namen bekommen) ist neben sinnvollen, zu überschaubaren Kosten prüfbaren Kriterien die aktive Selbstverpflichtung sämtlicher europäischer Mitgliedsverbände und -unternehmen zur Nutzung des Zertifikats. Darüber hinaus muss das Zertifikat Kunden und Handel handfeste Vorteile bieten. Diese sind aus unserer Sicht aufgrund der Standardisierung und europaweiten Verfügbarkeit gegeben. Am Ende ist ein Zertifikat immer dann erfolgreich, wenn es in vielen Ausschreibungen als Voraussetzung gefordert wird. Das ist dann die Kundennachfrage. Lesen Sie nächste Woche, was Henning Figge zu den Themen Marktentwicklung, Orgatec und seiner persönlichen Zukunft zu sagen hat.
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