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Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde / Erweiterung Pflegestation West

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Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde / Erweiterung Pflegestation West

Zur Zeit seiner Eröffnung im Jahr 1912 war das Landeskrankenhaus Graz eines der größten und modernsten seiner Art in Europa. Auf 60 Hektar waren nach zehnjähriger Planungs- und Bauzeit 29 Gebäude im Secessionsstil „bezogen“ worden, in denen die Patienten von 650 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen versorgt wurden.

Heute, fast hundert Jahre später, beträgt der Mitarbeiterstand über 7000 und die Anlage wurde um viele Zu- und Ergänzungsbauten erweitert, trotzdem konnte die städtebauliche und architektonische Geschlossenheit im Wesentlichen bewahrt werden.
 

 
Diesem Umstand trugen Ederer + Haghirian Architekten Rechnung, als sie 2006 am geladenen Wettbewerb für die Erweiterung der Pflegestation West an der Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde teilnahmen. Die Aufgabenstellung beinhaltete die Errichtung einer Pflegestation mit 15 Mutter-Kind-Zimmern, Schwesternstützpunkt und Nebenräumen, und zwar als Aufstockung auf das bestehende, viergeschossige Klinikgebäude von Architekt Aduatz aus dem Jahr 1963, das 1992 von den Architekten Kapfhammer, Wegan und Kossdorf erweitert wurde.

Ederer und Haghirian entwarfen einen in Gestaltung und Farbgebung zurückhaltenden, dennoch differenzierten Baukörper, der nicht in Konkurrenz zum historischen Bestand tritt und laut Juryprotokoll vor allem durch seine Schlichtheit im ohnehin angespannten Ambiente des Krankenhausareals besticht.

Das aufgesetzte Stockwerk kragt allseitig um maximal zwei Meter aus, um das geforderte Raumprogramm auf einer Ebene unterbringen zu können. Lediglich nach Westen überragt es den Straßenraum um acht Meter und wird hier von drei zarten Stützen getragen. Entschärft wird die mächtige Auskragung durch eine Rundung des Baukörpers, die damit zugleich auf
die Form des angrenzenden Hörsaalgebäudes (1963) und der Kinderchirurgie (1992) Bezug nimmt. Aufgrund der schwierigen statischen Verhältnisse – das Bestandsgebäude erwies sich als wenig belastbar – wurde eine Leichtbauweise mit Stützen in der Fassadenebene ausgeführt, was wiederum sorgfältige Maßnahmen gegen eine Überhitzung der Pflegestation nach sich zog.

Die strichcodeartige Fassadengestaltung ergibt sich aus einer Überlagerung von Konstruktions- und Zimmerraster, wobei die Farbgebung der Zimmer (gelb, grün oder orange) an den Stirnseiten ihrer Zwischenwände von außen ablesbar ist. In intensiver Auseinandersetzung mit Schwestern, Pflegern und Ärzten wurde die organisatorische und atmosphärische Gestaltung der Station erarbeitet. Ein wohnlicher, hotelartiger Charakter wurde von allen gewünscht, wobei zusätzlich eine Vielzahl an Einschränkungen und Vorgaben zu berücksichtigen waren, die im Krankenhausbau vorgeschrieben sind. So beschränkten sich die Architekten auf wenige, jedoch effiziente Maßnahmen, um die erwünschte Atmosphäre zu schaffen:

Gleich nach dem Zugang befinden sich Untersuchungszimmer und Schwesternstation. Letztere wurde als „Serviceeinheit“ begriffen und mit einem vorgelagerten Empfangspult versehen. Daran anschließend reihen sich links und rechts die Zimmer, die jedoch so zueinander versetzt sind, dass gegenseitige Einblicke vermieden werden. Der Mittelgang wird durch ein mit Milchglas bündig abgeschlossenes Oberlichtband natürlich belichtet, am Gangende erlaubt die wandhohe Verglasung einen direkten Blick in den angrenzenden Leechwald. Im Bereich der großen Auskragung sind ein behindertengerechtes Pflegezimmer und der Tagraum untergebracht, dessen gerundete Außenwand ebenfalls verglast ist und eine großartige Aussicht über das Krankenhausareal und die Stadt bietet.
 
 
Die Farbgebung in den Erschließungszonen ist hell und neutral, das Weiß der Zimmer wird durch eine gelbe, grüne oder orange Wand und entsprechende Möbel ergänzt. Hier sind – ebenso wie im Tagraum – die Decken leicht nach außen ansteigend, um ein Gefühl der Offenheit und einen starken Außenbezug herzustellen. Durch einen Versatz in den Patientenzimmern entsteht gleich nach dem Eingang eine Schwellenzone mit Service- (Wickeltisch, Babybadewanne etc.) und Sanitätseinheit. Das Bett der Begleitperson befindet sich im von der Zimmertür aus uneinsichtigen Eck hinter dem Badezimmer, während das Patientenbett sofort im Blickfeld liegt.

Trotz der rigorosen und stark einschränkenden Vorgaben und Sicherheitsmaßnahmen, die den Krankenhausbau prägen, ist es den beiden Architekten geglückt, eine freundliche, fast „normale“ Welt innerhalb des individuellen Ausnahmezustands Krankenhaus zu schaffen.
 
 
Der Verzicht auf große gestalterische Gesten und vordergründige Kindgerechtigkeit ist wohltuend und trägt zum insgesamt wohnlichen und den Umständen angemessenen Ambiente bei.

Eva Guttmann, 20.09.09
 

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