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Sehen und gesehen werden

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Sehen und gesehen werden

Eigentlich sollte der Umbau des Gründerzeitgebäudes maximal 5 Jahre dauern, weil es aber an Ausweichräumlichkeiten fehlte, musste der Umbau bei laufendem Universitätsbetrieb stattfinden. Das bedeutete viel Staub, Lärm, Chaos und immer wieder umziehen für die rund 2.300 Studenten der Sozial- und Politikwissenschaften und elf Professoren. Da zudem die Finanzierung immer nur Bauabschnittsweise gewährt wurde, dauerte der Umbau schließlich fast zehn Jahre.

Aus Sicherheitsgründen und weil die Humbold-Uni schnellstmöglich Seminarräume und eine Fachbibliothek (70.000 Bände) benötigte, musste die Sanierung allerdings vom Erdgeschoss zum Dach erfolgen. AVP ordneten die Publikumsströme in dem durch zahllose Umbauten völlig zergliederten Gebäude und organisierten sie neu. Im ersten Bauabschnitt entstanden von 1996 bis 1998 die Fachbibliothek und die Seminarräume in den unteren Etagen. Der zweite Bauabschnitt (2. und 3. Etage) dauerte von 1998 bis 2001, der dritte (Dach und Keller) von 2002 bis April 2005.

Auch der Denkmalschutz stellte Forderungen: Unter anderem sollten die Scheinarkaden im Erdgeschoss und die Dachform wieder hergestellt werden. Wir haben das Neue aus dem Alten entwickelt und dabei den spezifischen Charakter des Gebäudes herausgearbeitet. Vor allem Transparenz und Großzügigkeit zum Foyer und zur Straße hin waren den Architekten wichtig, weil beobachten und beobachtet werden ein wesentliches Instrument der Sozialwissenschaften ist, sagt Vielain. Bis in die Tiefe des Gebäudes bleibt daher der Außenraum Stadt erlebbar.

Unter dem Dach erhielten wir großflächig die vollständige Raumhöhe von acht Metern, Tageslicht dringt durch schlanke Fensterterschlitze, Wartebereiche und Nebenräume überraschen mit einem poetisch bizarren Formenspiel.

Mehrere große Elemente akzentuieren den Großraum der Bibliothek: Im Erdgeschoss sind das eine Stahltreppe in Form eines auf die Seite gelegten V, die ovale Verbuchungstheke und die gefalteten Info-Plätze sowie in der zweiten Etage der Bibtiothek die sieben Carrels, abschließbare Arbeitsräume für konzentriertes Arbeiten. Sie werden für einen bestimmten Zeitraum von den Studenten gebucht, sind verkabelt und akustisch abgeschirmt, Belüftung und Beleuchtung erfolgen über die offene Decke.

Auch das Untergeschoss wurde praktisch neu gebaut, da sich herausstellte, dass die Gewölbedecken unter den Innenhöfen marode waren. In der neuen Betondecke ließen AVP eine etwa sieben mal zwei Meter große Öffnung frei. Durch diesen Lichtkubus aus sieben Zentimeter dicken, begehbaren Glasplatten fällt Tageslicht auf den Leseplatz darunter. Kurioses Baudetail. Eine fast ein Meter breite Betonsäule, die die Blickachse vom Leseplatz in die übrigen Räume störte, wurde mit Stahlstützen auf ein Minimum von gerade einmal 20 Zentimeter Breite reduziert.

Beim Innenleben des Daches freilich hielten sich AVP nicht an die Pläne. Unser Konzept vom transparenten und offenen Raum stand auch hier im Vordergrund. Es ging uns darum, Blickbezüge innerhalb der Räume zu schaffen, sagt Vielain. Der normale Reflex bei einer so großen Kubatur sei, einen Deckel darauf zu setzen und wegen der großen Höhe, zwei Etagen einzuziehen. Das wäre aber nur krampfig geworden. Lieber wollten wir diesen tollen Raum in seiner Großzügigkeit erlebbar machen.
Vor allem in den Fluren geht dieses Konzept auf: Dachschrägen werden aufgefangen durch Wände, die ihrerseits leicht gekippt sind. Es gibt keine Fugen, andersfarbige Absetzungen oder Leisten, sondern eine übergangslos in weißgrau gestrichene Fläche. Tageslicht dringt durch verschieden große Fensterterschlitze. Schlanke, rund acht Meter hohe, V-förmige Stützen stabilisieren den Aufsatz, Wartebereiche überraschen mit poetisch bizarren Sitzecken, die Türen zu Seitenfluren sind in Wahrheit große asymmetrische Tore. In diesem Bauabschnitt sind die Architekten über sich selbst hinaus gewachsen, sagt HU-Verwaltungsleiter Richert, für den das Aufsetzen des Daches ein beeindruckendes Erlebnis war. Die Architekten hätten in einem visionären Entwurf gezeigt, was in einem Altbau möglich ist. Dekanin Lohr sieht das ähnlich: Das Dach ist ein architektonisches Highlight.

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