Startseite » Projekte »

Holzbauinnovation mit unsichtbaren Verbindern aus Stahl, Knapp

Werk- und Forschungshalle | Diemerstein | Knapp Deutschland
Holzbauinnovationen für die Bauwende

Firmen im Artikel

Im Diemersteiner Tal haben Architekturstudenten der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) unter der Leitung des Forschungsbereiches t-lab zusammen mit der Industrie eine Werk- und Forschungshalle entwickelt und gebaut. Eingeflossen sind dabei Innovationen für das kreislauffähige Bauen in Holz, von Ringknoten und Konusadaptern aus Kunstharzpressholz bis zu unkompliziert montier- und demontierbaren, unsichtbaren Verbindern aus Stahl.

Das 2014 gegründete t-lab des Fachbereichs Architektur der RPTU erforscht Wege und Systeme, um mit klimafreundlicheren Bauweisen den Ausstoß von Treibhausgasen, Ressourcenverbrauch sowie Abfallaufkommen im Bauwesen zu begrenzen. Die Ergebnisse werden von den Studierenden nicht nur in der Theorie erarbeitet, sondern auch in die Realität umgesetzt. Auf dieser Basis ist nun eine Forschungshalle entstanden. Das Versuchslabor für innovativen und experimentellen Holzbau ist der erste Baustein einer Reihe von zukunftsweisenden Gebäuden aus Holz, die auf einem von der RPTU gepachteten Gelände entstehen sollen. Das 8.200 m2 große Areal bietet dafür auf zwei Baufeldern mit ca. 3.700 m2 Fläche Platz für Versuchsbauten mit unterschiedlichen Nutzungen: Prüfhalle, Bürogebäude und jene Werk- und Forschungshalle, die gerade fertiggestellt wurde.

Finanzierung und Ziel

Finanziert von der Stiftung der TU Kaiserslautern, vom LEADER-Programm der Europäischen Union, vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz, der RPTU und Sponsoring von Firmen und Industrie, wurde das Projekt im interdisziplinären Team aus Forschenden, Studierenden und Lehrenden umgesetzt. Es basiert auf einem Studentenentwurf, der 2018 im Rahmen einer Lehrveranstaltung erarbeitet und im Anschluss im Sinne der vom t-lab geforderten notwendigen Bauwende verfeinert wurde. „Dabei wurde der Entwurf an die Anforderungen der Kreislauffähigkeit angepasst, um eine 100-prozentige Rückbaubarkeit mit 1:1 wiederverwendbaren Bauelementen zu gewährleisten“, verrät Viktor Poteschkin, Architekt und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Architektur des RPTU, t-lab, Tragwerk und Material. Sowohl das Tragwerk als auch die Fassaden wurden so optimiert, dass sich das Gebäude komplett zerstörungsfrei zerlegen und wiederverwenden lässt. Zudem wurde die Konstruktion von den Bauteilabmessungen bis zu den Fügungen so konzipiert, dass sie sich von den Studierenden weitgehend selbst nach dem Prinzip „Research-Design-Build“ errichten ließ.

Lage und Konzept

Der langgestreckte Baukörper der Werk- und Forschungshalle ist längsseitig zum angrenzenden Hang ausgerichtet, sodass die durch das Tal fließenden Kaltluftströme nicht durch das Gebäude blockiert werden. Dem giebelseitigen Eingang gegenüber liegt die Villa Denis, Tagungsort und Stiftungssitz der TU Kaiserslautern. Ein großes Vordach dient als Witterungsschutz. Dahinter erstreckt sich ein 360 m2 großer Raum, der sich flexibel bespielen lässt. Darin sollen Workshops, Seminare und Veranstaltungen stattfinden. Zudem werden in der Halle Mock-Ups und Demonstratoren zu Forschungszwecken gebaut und Innovationen für das kreislauffähige Bauen entwickelt.

Tragwerk

Der Neubau besteht von der Primärkonstruktion über die Fassade bis zum Innenausbau komplett aus Holz bzw. Holzwerkstoffen. Dreigelenkrahmen aus Buchenfurnierschichtholz mit 12,70 m Spannweite und einem Achsabstand von 2,50 m bilden das stabförmige Tragwerk. Fußpunkte und First wurden gelenkig ausgeführt, die stabförmigen Traufknoten biegesteif – eine gestalterisch hochwertige und effiziente Struktur aus Zug- und Druckstäben: die innenliegenden Stäbe werden rein auf Druck belastet und sind damit knickgefährdet. Sie wurden aus 160 mm breiten und lediglich 200 mm hohen Stäben konzipiert. Die außenliegenden Stäbe werden auf Zug- und Biegung belastet, sodass hier Querschnitte von 160 mm x 300 mm notwendig waren. Den räumlichen Abschluss und die Aussteifung dieses Tragwerks übernimmt eine äußere Beplankung aus Brettsperrholzelementen. Die Verbindungen des Tragwerks und der Dach- und Fassadenkonstruktion wurden so konzipiert, dass alles jederzeit demontiert werden kann und ein größtmöglicher Grad an Vorfertigung möglich war.

Verbinden nach den Kreislaufprinzip

Der Holzbau steht auf einer Gründung aus Mikropfählen. Während diese vor Ort eingebracht wurden, wurden das Tragwerk bzw. dessen Knoten und Stäbe so vorgefertigt, dass sie vor Ort schnell zusammengesetzt und mit einem Kran aufgerichtet werden konnten. Auch die Brettsperrholzelemente, angeschlossen mit Konusadaptern an die Dreigelenkrahmen, wurden komplett vorgefertigt und mit wenigen einfachen Handgriffen montiert. Für die Montage der Dämmelemente und für den Innenausbau griff das Team auf Knapp Verbinder zurück. „Diese haben den Vorteil, dass sie sich im Werk vormontieren, vor Ort leicht einhängen und nach dem Kreislaufprinzip auch wieder einfach demontieren und erneut verwenden lassen“, erklärt Poteschkin die Wahl. Während diese bereits auf dem Markt erhältlich sind, wurden die Verbinderknoten und die Konusadapter des Tragwerks explizit entwickelt: Als Vorbild für die Knotenpunkte (Ringknoten) des Tragwerks dienten Astgabeln, sogenannte Zwiesel, die die Kräfte durch große Rundungsradien stetig umlenken und so keine Spannungsspitzen entstehen lassen. Bei gleichem Materialeinsatz kann somit eine höhere Leistungsfähigkeit erzielt werden, sodass statisch effiziente, filigrane Bauteilanschlüsse entstehen. Diese Entwicklung erfolgte im Rahmen einer Dissertation am t-lab.

Ringknoten aus Kunstharzpressholz

Für Diemerstein wurden nach diesem Prinzip Ringknoten aus Kunstharzpressholz produziert. Dieser Holzwerkstoff basiert auf technisch verdichteten Buchenfurnieren, die zunächst mit Kunstharz imprägniert und dann unter hohem Druck und bei hoher Temperatur miteinander verpresst werden. Dadurch entsteht ein Werkstoff mit extremer Festigkeit und Steifigkeit, der hinsichtlich seiner Tragfähigkeit Stahl entspricht. Die Ringknoten wurden mittels CNC-5-Achsfräsen gefertigt und über Gewindestäbe im Ringinneren mit den in die Furnierholzstäbe eingelassenen Rechteckbolzen verschraubt, um stabile und dennoch reversible Verbindungen zu schaffen. Um die Anforderungen der Feuerwiderstandsklasse R30 zu erfüllen, wurde auf den Einsatz von intumeszierenden Brandschutzmitteln auf Stahlteilen verzichtet – diese Methode ist sehr aufwendig, fehleranfällig und eignet sich nicht für eine reversible Verbindung. Stattdessen wurde das Prinzip der Lastumlagerung angewandt: die im Brandfall maßgeblichen Zugkräfte in den außenliegenden Stäben werden mit Hilfe der Konusadaptern in die Brettsperrholzplatten eingeleitet und so ohne die Tragfähigkeit der Traufknoten kurzgeschlossen.

Zur Aussteifung und einfachen Demontierbarkeit: Brettsperrholzelemente, mit Konusadaptern befestigt

Im Anschluss wurde das Skelett mit 2,5 m breiten, mit Sichtholzoberfläche gefertigten Brettsperrholzelementen bekleidet. Alle Elemente wurden bei der Vorfertigung an den Fußpunkten mit Aussparungen für Kabelkanäle versehen. So entstand eine jederzeit zugängliche Installationsebene, die eine flexible Gestaltung und Erweiterung der Installation erlaubt. Die Befestigung erfolgte jeweils über Konusadapter, die ebenfalls aus Kunstharzpressholz gefertigt wurden. Durch die formschlüssige Verbindung und die dauerhafte Formstabilität des Konusadapters lässt sich die auch nach Jahrzehnten leicht lösen und ist damit rückbaubar. Die Konusform verhindert durch die Keilwirkung ein Ablösen der Bauelemente. Der Konusadapter ist durch die einfache Handhabung universell einsetzbar, auch im mehrgeschossigen Holzskelettbau. Die Verbinder wurden von außen verschraubt, auf der Innenseite blieb zwischen zwei Elementen lediglich eine Fuge sichtbar.

Holzfaserdämmung reversibel befestigt mit Knapp Verbindern

Um die Dämmelemente an das Brettsperrholz zu befestigen, arbeitete das Bauteam von Diemerstein mit Knapp Verbindern. „Wir wollten das Gebäude aus ökologischen Gründen und im Sinne der Kreislaufwirtschaft mit Holzweichfaserdämmung dämmen“, erinnert sich der wissenschaftliche Mitarbeiter. „Hätten wir die Holzweichfaserstoffe jedoch direkt mit einzelnen Stiften befestigt, wäre eine nicht kreislauffähige Lösung dabei herausgekommen.“ Stattdessen wurden die Dämmelemente in separate Rahmen gepackt, die im Anschluss mit Walco V60 Verbindern und Kragenschrauben direkt mit den Brettsperrholzelementen verbunden – sowohl in der Wandebene als auch in der Dachebene. Die Verbinder wurden bereits in der Vorfertigung montiert und vor Ort nur noch zusammengesteckt. Um eine einfache Demontage der Bauteile beim Rückbau zu ermöglichen, wurden die Rahmen an den entsprechenden Stellen kleiner als die Brettsperrholzelemente ausgeführt und die Zwischenräume mit Hartfaserdämmung gefüllt.

Montagekonzept Fassaden, Dach und Innenausbau

Eine Deckung aus Stahlwellblech auf Lattung, Konterlattung und Dachbahnen bildet die Dachhaut. „Stahlwellblech hat den Vorteil, dass es sich gut rückbauen lässt. Ursprünglich hatten wir mit Stehfalzdeckung arbeiten wollen, doch Stehfälze lassen sich nicht reversibel falten“, ergänzt Poteschkin. Die Fassaden wurden bis zur Dämmebene identisch konzipiert und außen mit Lattung, Konterlattung und Schalung vervollständigt. Auf die Dampfsperre verzichtet das Gebäude, da Brettsperrholz mit abgeklebten Fugen diffusionsdicht ist. Die Fassaden aus sägerauer Douglasie wurden komplett in Form von 1,25 m breiten Elementen vorgefertigt und an Rhombuslatten aufgehängt, die an der Oberkante der Dämmebene montiert wurden. Unten wurden sie nur noch lagegesichert, sodass die Montage der Fassaden innerhalb von einem einzigen Arbeitstag bewerkstelligt werden konnte. Während die Längsfassade geschlossen ausgeführt wurde, wurde die Giebelfassade als Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Buchenfurnierschichtholz mit Polycarbonatplatten als Bekleidung gestaltet. Bei der Befestigung kamen Ricon 100/40 EA und DA Verbinder zum Einsatz. Der Innenausbau des Gebäudes mit einer Funktionsbox mit WC-Anlage, Küche, HAR (Hausanschlussraum), Garderobe und Lager für eine „millimetergenaue und präzise Montage“ erfolgte ebenfalls mit Knapp Verbindern, erläutert Poteschkin. Die einzelnen Wandelemente wurden mit Walco V60 KS und Walco V60 GH miteinander gekoppelt. Als Haupt-Nebenträger-Verbinder in der Dachebene nutzten die Studenten Ricon 140/40, um diese schnell und unkompliziert miteinander zu verbinden.

Fazit: Kann ich das auch?

Ein Gebäude, so einfach konzipiert, dass es Studierende selbst errichten können?

Ein System, so innovativ, dass es die Voraussetzungen der kreislauffähigen Zukunft des Bauwesens schon im Heute abbildet? Kann ich das auch? Im Grunde genommen sollten derartige Konstruktionen selbstverständlich sein. Was das Team des Bauwerks in Diemerstein entwickelt und zum großen Teil selbst errichtet hat, ist Vorbild für das Bauen der Zukunft. Was Studierende errichten können, muss auch jeder Handwerksbetrieb leisten können. Und mit etwas Glück wird dies auch so sein: Denn „den ersten Forschungshöhepunkt auf dem Weg zum kreislaufeffektiven Bauen stellt schon der Neubau selbst dar“, ist Viktor Poteschkin überzeugt. „Die Studierenden konnten sich durch praktische Anwendung der Forschungsergebnisse direkt von der Funktionsweise der jeweiligen Konstruktionen überzeugen. Wenn sie nach dem Studium in verschiedenen Büros arbeiten, werden sie diese Erkenntnisse in einem weitaus größeren Rahmen in die Welt tragen, als es mit unserer Forschungseinrichtung allein möglich ist.“

Bautafel

Projekt: Werk- und Forschungshalle
Bauherrn: Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) unter der Leitung des Forschungsbereiches t-lab zusammen mit der Industrie eine Werk- und Forschungshalle
Hersteller: Knapp GmbH
Produkt:  Walco V60 Verbindern

Schnell gesteckt: Zeh Häuser in Dübelholzbauweise

Weitere arcguide Beiträge
zum Thema Verbinder »

Firmen im Artikel
arcguide Sonderausgabe 2023
Projekte
arcguide Partner
Architektenprofile
 


Sie möchten auch Ihr Büro präsentieren und Ihre neuesten Projekte vorstellen? Zum Antragsformular »


Sie haben bereits ein Büroprofil auf arcguide.de und möchten Ihre neuesten Projekte vorstellen? Zum Projektformular »

Ausschreibungen
Konradin Architektur
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024 kaufen
EINZELHEFT
ABO

 


Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de