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Theorie und Philosophie der Architektur

In der Geschichte der Philosophie spielt die Architektur als Metapher planmäßigen Handelns und logisch-konstruktiver Tätigkeit durchgängig eine zentrale Rolle. Als Beispiele dafür können Aristoteles Erklärung des Handelns mit Verweis auf den Baumeister und Friedrich Nietzsches Gebrauch von architektonischen Metaphern wie dem „großen Bau der Begriffe“ und dem „unendlich complicirten Begriffsdom“ gelten. Seit der Krise der modernen Architektur in den sechziger Jahren sind jedoch verstärkt Ansätze zu erkennen, die jenseits von kunst- und architekturtheoretischen Vorgaben die Frage nach der kulturellen Funktion der Architektur unter philosophischen Gesichtspunkten kulturkritisch erweitern. Dazu gehören unter anderem Ansätze in der Anthropologie wie in Christopher Alexanders Notes on the Synthesis of Form (1967), in der Ästhetik Roger Scrutons Aesthetics of Architecture (1979), aber auch phänomenologische Ansätze wie in Christian Norberg-Schulz’ Intentions in Architecture (1968) und Genius loci (1979) sowie sprachphilosophische Ansätze wie bei Heinrich Klotz, Peter Eisenman, Roland Barthes und Jacques Derrida. Mit den neuen digitalen Technologien und ihrem Eingreifen in die Entwurfsprozesse wird die Architektur verstärkt im Kontext erkenntnistheoretischer und geschichtsphilosophischer Zusammenhänge diskutiert.

In den letzten Jahren hat sich, auch in Absetzung zu medien- und raumtheoretischen Paradigmen, die in den Geisteswissenschaften dominant geworden sind, in der Philosophie, aber auch in benachbarten Disziplinen wie der Soziologie und den Literaturwissenschaften, die Auseinandersetzung mit der Architektur intensiviert. Gerade im deutschen, französischen und italienischen Sprachraum sind Analysen der Architektur vorgelegt worden, die methodisch und konzeptuell Neuland betreten. Ihr Verhältnis zum fachwissenschaftlichen Diskurs der Architekturtheorie wie auch zur kunstwissenschaftlich verfahrenden Architekturgeschichte ist bislang jedoch noch nicht geklärt worden.

Bisher fehlt aber eine integrale Form der architekturphilosophischen Reflexion oder auch nur eine gemeinsame Diskussionsebene, die der Rolle der Architektur als zentrale, die menschliche Lebenswelt strukturierende, kulturelle Praxis gerecht würde. Ja es scheint geradezu, dass teilweise die verschiedenen philosophischen Ansätze zu unversöhnlichen, künstlerischen und architektonischen Konzepten führten. Dies ließ sich bereits an den verschiedenen sprachphilosophischen Ansätzen der Postmoderne beobachten, die zu so unterschiedlichen und unvereinbaren Architekturen führten wie denjenigen von James Stirling, Robert Venturi oder Peter Eisenman. Darüber hinaus ist bemerkt worden, dass architekturphilosophische Fragestellungen oft nur in Zeiten krisenhafter Zuspitzung ins Bewusstsein der Architektur treten. Die Architekturphilosophie bleibt so der Architekturtheorie, also dem auf Realisierung von architektonischen Konzepten orientierten Nachdenken über Architektur nach- und untergeordnet.

Das ist unbefriedigend und wird dem Stellenwert der Architektur im kulturellen Ganzen nicht gerecht. Denn gerade der philosophische Diskurs der Moderne zeigt, wie die Architektur und die gestaltete Umwelt eine zentrale Rolle in der Neuausrichtung des philosophischen Denkens im 20. Jahrhundert spielt. Als Leitkunst der frühen Moderne und als eine unsere Lebenswelt konstituierende kulturelle Praxis gehen seit Ende des 19. Jahrhunderts von der Architektur entscheidende Impulse für die Phänomenologie, die Anthropologie und Epistemologie aus. Edmund Husserls Phänomenologie ist ohne die Erkenntnis der Bedeutung des architektonischen Raumes nicht vorstellbar. Sie gründet unmittelbar – in Absetzung von der psychologischen Ästhetik Theodor Lipps’ – in den Vorarbeiten zum architektonischen Raumverständnis der Architekturtheorie bei August Schmarsow, Heinrich Wölfflin und Adolf Hildebrand. Auch Ernst Blochs Grundrisse einer besseren Welt (Bauten, die eine bessere Welt abbilden, architektonische Utopien) sind nur vor dem Hintergrund der architektonisch-künstlerischen Transformationen der gebauten Umwelt seiner Zeit verständlich.

Den Übergang zur Architektur als Ausgangspunkt lebensphilosophischer Fragestellungen vollzog Friedrich Nietzsche, als er sich in seinem letzten aktiven Jahr in Turin vom Wanderer in der Natur zum Spaziergänger unter den Arkaden der rechtwinklig gerasterten Stadt Turin wandelte. In einer leibphänomenologischen Wende, wie sie später von Georg Simmel, Franz Hessel oder Egon Erwin Kisch aufgegriffen wurde, konnte Nietzsche die Architektur der Stadt als erweitertes Erkenntnisinstrument begreifen. In dieser Linie einer architektonisch geformten Lebenswelt steht auch Hellmuth Plessners Ästhesiologie des Sehens, die Leibphänomenologie von Friedrich Bollnow, Elisabeth Ströcker und Lenelis Kruse sowie die anthropologischen Ansätze bei Ludwig Klages, Karlfried Graf von Durckheim, Martin Heidegger und Maurice Merleau-Ponty. Auch das Passagenwerk Walter Benjamins ist als architekturphilosophisches Projekt zu rekonstruieren.

Wie diese wenigen Beispiele suggerieren, ist die Moderne wesentlich durch die wechselseitige Öffnung von Philosophie und architektonische Praxis geprägt. Mit der Aufgabe metaphysischer Positionen, aber auch mit dem Wandel der Architektur im Zuge einer großstädtischen Kultur wurden in der Moderne Philosophie und Architektur füreinander durchlässig. Weder die Unterordnung der Architekturphilosophie als Hilfswissenschaft unter eine praxisorientierte Architekturtheorie, noch die an der aktuellen Situation der architektonisch-lebenspraktischen Bedürfnissen vorbeigehende, ästhetische Reflexion wird der Tatsache gerecht, die sich mit Friedrich Nietzsche anbahnte: Die gebaute Umwelt – Architektur, Städtebau und Landschaftsgestaltung, aber auch verschiedene Formen der Alltagskultur, Ökologie und der materiellen Welt eingeschlossen – muss als das entscheidende Medium philosophischer Erkenntnis aufgefasst werden

ThinkingArchitecture | Theory and Philosophy of Architecture

Datum: 29. – 30. Mai 2015
Ort: Technische Universität Berlin
Forum im Architekturgebäudes
Straße des 17. Juni 152
10623 Berlin
Deutschland

ANMELDUNG
Technische Universität Berlin
Fachgebiet Architekturtheorie
Institut für Architekrur (IfA)

Straße des 17. Juni 152
10623 Berlin
Deutschland

Dr.-Ing. Tom Steinert
T (030) 314 – 219 58
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