Der Neubau des japanischen Architekturbüros Sanaa ist ebenso minimalistisch wie die Architektur von Schupp und Kremmer. Doch auch wenn das Gebäude der Zollverein School ausdrücklich dafür entworfen wurde, sich an die anderen Gebäude der ehemaligen Kohlenmiene anzupassen, hat es seinen ganz eigenen Charakter: Der fugenlose Sichtbetonwürfel setzt durch seine Kubatur die Tradition der Moderne mit zeitgenössischen Mitteln fort, hebt sich aber durch Material und die außergewöhnliche Anordnung der Fenster ab. Verschieden große, quadratische Fenster ziehen sich über die Fassade und lassen von außen keinen Rückschluss auf das Raumgefüge im Inneren zu. Die zufällig wirkende Anordnung basiert auf computeranimierten Lichtstudien zur idealen Belichtung des Gebäudes. Der hellgraue Würfel mit einer Höhe von 34 m auf der Grundfläche von 35 x 35 m erscheint zugleich kraftvoll und leicht.
Die schlanke Außenhaut von nur 30 cm birgt eine aktive Wärmedämmung: Durch einbetonierte Schläuche wird 27°C warmes Grubenwasser über einen Wärmetauscher gepumpt; dieses Wasser erwärmt das Gebäude. Auch ein ungewöhnlich filigranes Tragwerk aus fünfzig Zentimetern starken Flachdecken, welche lediglich auf zwei Stahlverbundsstützen, drei Kernen und den Außenwänden aufliegen, verleiht dem Innenraum eine moderne, grenzenlos schlichte und lichte Wirkung. In die 50 cm dicke Decke sind Verdrängungskörper eingelegt, die das Gewicht der Decken um etwa 30% senken.
Die Zollverein School umfasst vier Ebenen und einen Dachgarten in unterschiedlichen Geschosshöhen. Der Großteil der 5000 qm Nutzfläche bleibt offen und kann vielseitig genutzt werden. Die Leichtigkeit der Räumlichkeiten regt zu einem Vergleich mit Mies van der Rohes Staatsgalerie in Berlin an. Doch liegt der entscheidende Unterschied darin, dass hier auf Differenzialisierung in der Materialität weitestgehend verzichtet wurde. Die verwendeten Materialien reduzieren sich auf Glas, Stahl, helle Stoffbahnen und Sichtbeton. Das öffentlich zugängliche Erdgeschoss betritt der Besucher über die der Straße zugewandten Ostfassade. Einzig ein Kiesweg deutet den Eingang an, da die Fenster im Erdgeschoss Bodentiefe erreichen. Es wird zusätzlich zu den drei – das Gebäude durchdringenden – Erschließungskernen durch einen gläsernen Hörsaal und eine offene Cafeteria gegliedert. Im offenen ersten Obergeschoss, das durch seine doppelte Raumhöhe einen faszinierenden Licht- und Raumeindruck vermittelt, liegen die Arbeitsplätze der künftigen Studenten. Das zweite Obergeschoss beherbergt die Bibliothek und Seminarräume. Zusätzliche, weiß verputzte Kuben gliedern diese Etage und ermöglichen ein ruhiges Arbeiten. Auch das dritte Obergeschoss birgt eine überraschende Veränderung: Hier sind die gläsernen Büros der Professoren und der Verwaltung untergebracht. Sie werden durch einen umlaufenden Gang erschlossen und sind untereinander verbunden. Patios ermöglichen das Heraustreten aus den Büros ins Freie. Diese Innenhöfe verweisen auf die teilüberdachte Dachterrasse. Sie wird von den durchlaufenden Außenwänden mit ihren versetzt liegenden Öffnungen gefasst und bietet einen privaten Außenraum.
Der rationell zurückhaltende Bau besticht durch lichtdurchflutete und filigrane Leichtigkeit. Die reduzierte Atmosphäre des Raums setzt den Fokus auf das Existentielle. Dies ist nicht treffender zu umschreiben als mit dem Ausspruch des Direktors des Museum of Modern Art, New York (MoMa), Glenn D. Lowry: Wie ein Einbruch von Jazz in eine klassische Komposition.
Text:Architekturkommunikation Nicole Böhle/drl
Fotos:Thomas Mayer Archive
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