Startseite » Themen »

Umbau einer alten Schlosserei in Memmingen

Themen
Umbau einer alten Schlosserei in Memmingen

Ein Juwel der Altstadt / Architektonisches Kleinod
Das alte Weberviertel in Memmingen ist geprägt von teilweise sanierungsbedürftigen Häusern. Doch gerade dieses heterogene Umfeld war für eine junge Familie ein größerer Ansporn, die 1935 errichtete Schlosserei zu einem außergewöhnlichen Einfamilienhaus umzubauen. Alexander Nägele von SoHo Architektur übernahm die Planung. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf die Grundrissorganisation und auf qualitativ hochwertige Baumaterialien. Seine Wahl fiel unter anderem auf natürlichen Hanf, lasierte Fichte und praktische Fermacell Gipsfaserplatten. Dies brachte ihm den ersten Preis beim Xella-Wettbewerb „Bauen im Bestand 2008“ ein.

Beim Vorbeigehen fallen den Passanten vor allem die dunkel lasierten Fichtenholzpaneele auf, die sich wie eine zweite Haut um das Gebäude legen. Sie sollen einen Bezug zu den hölzernen Wehrgängen der Stadtmauer sowie den zahlreichen Holzanbauten in den Hinterhöfen des Gerberviertels herstellen. Mit der flächenbündigen Holzverkleidung verlieh Alexander Nägele dem Gebäude ein neues monolithisches Aussehen. Abgeschrägte Metallleibungen in der ersten und zweiten Etage gliedern die Giebelfassade und lassen viel Licht ins Gebäudeinnere. Gleichzeitig demonstrieren sie die Stärke des neu aufgebrachten Dämmpakets aus Hanf und Fermacell. Im Erdgeschoss bieten leicht verspiegelte Fenster neugierigen Blicken Einhalt. Die beiden Garagentore auf der Nordseite sind ebenfalls mit dunkel lasierten Fichtenholzpaneelen verkleidet und erscheinen somit fast unsichtbar.

Grundrissgestaltung
Die Grundrisse des Gebäudes sind einfach und rational organisiert. Im Erdgeschoss, wo die Nähe zu den Nachbarhäusern am stärksten spürbar ist, befindet sich eine Garage und eine Hobbywerkstatt. Ungewöhnlich ist die Konstellation der Schlaf- und Wohnräume. Während in den meisten Häusern unten gewohnt und oben geschlafen wird, ist es hier genau umgekehrt. Im ersten Geschoss befinden sich Schlaf- und Sanitärbereiche sowie eine Spielfläche für die Kinder. Darüber öffnet sich der großzügige Wohnraum mit Küche und Essplatz. Das Dachgeschoss ist von den sichtbaren Holzbalken geprägt. Der bis zu acht Meter hohe Dachraum mit den großen Fenstern gibt den Blick über die Altstadt frei. Die Dachflächenfenster wurden mit schrägen Laibungen ausgebildet und so platziert, dass eine natürliche Belichtung von oben möglich ist. Angesichts des hohen Giebels bot es sich an, die oberste Etage in Teilbereichen durch eine Galerie zu erweitern. Mit zunehmender Geschosszahl gewinnt das Gebäude an Helligkeit und Weite. Damit trägt der Architekt den Wünschen der Bauherren und den örtlichen Gegebenheiten Rechnung. Eine große Terrasse auf dem Dach des Garagenanbaus ersetzt den fehlenden Garten. Die hier errichtete Laube und ein Grill sind eine gute Basis für schöne Feste. Ein kleiner Dacheinschnitt gegenüber dem Essplatz bietet einen zusätzlichen, geschützten Freisitz. Das Gebäude wird über zwei rechtwinklig angeordnete Treppen und einen Aufzug erschlossen. Auf die Frage, warum er in einem Einfamilienhaus einen Aufzug vorsah, antwortet Alexander Nägele: „Das Haus soll dem stetigen Wandel der Wohnbedürfnisse gerecht werden. Hierbei ist Barrierefreiheit ein wichtiges Stichwort. Schließlich sollen die Besitzer auch noch im gehobenen Alter in dem Gebäude wohnen können“.

Materialwahl und Einbauten
Sehr sorgfältig ging der Architekt bei der Auswahl der Materialien vor. Die Baustoffe sollten nachhaltig sein und den Räumen eine individuelle Ästhetik verleihen. Dies zeigt sich auch im großzügigen Badezimmer mit angeschlossener Sauna. Der dort eingesetzte graue Schiefer und der Stucco Lustro über den Handwaschbecken verleihen dem Raum eine eigene Eleganz. Diese wird durch eine große geschwungene Badewanne unterstrichen, die sich direkt vor einem breiten Fenster befindet. Im freien Verband verlegte Eichendielen geben dem Betrachter an manchen Stellen das Gefühl, in einem alten Bauernhaus zu sein. Um möglichst wenig Wärme über die Dachflächen zu verlieren, sah der Planer 40 cm Hanfdämmung vor und unterstützte diese zusätzlich mit 8 cm dicken Holzweichfaserplatten. Schwarzbraune Biberdachziegel schützen das Gebäude vor der Witterung. Die statische Konstruktion der alten Schlosserei blieb größtenteils erhalten. Nur dort, wo es konstruktiv erforderlich war, wurde die Konstruktion verstärkt. Im ersten Obergeschoss ist das Holzfachwerk mit einer Schalldämmung versehen und mit Fermacell verkleidet. Neu errichtet wurden die Wände des Hauswirtschaftsraums, der Nassbereiche und teilweise im Elternschlafzimmer. Auch hier kamen Fermacell Gipsfaser-Platten als Trockenbausystem zum Einsatz. Dass sich der Architekt gleich an mehreren Stellen des Gebäudes für diesen Baustoff entschied, hat gute Gründe: Die Elemente sind variabel einsetzbar und können zur Montage von Innentrennwänden, Wandbekleidungen und als Deckenverkleidung herangezogen werden. Darüber hinaus dienen sie als Bau-, Feuerschutz- und Feuchtraumplatte. Bei nicht tragenden Trennwänden werden sie mit Hilfe einer Stahl- oder Holz-Unterkonstruktion montiert, bei tragenden Wänden mit einer Holz-Unterkonstruktion. Auch auf der Baustelle erweisen sich die Platten als wahres Multitalent. Sie lassen sich durch einfaches Ritzen, Brechen, Sägen, Fräsen oder Bohren bearbeiten. Fermacell Gipsfaser-Platten bestehen aus Gips und Papierfasern, die in einem Recyclingverfahren gewonnen werden. Diese Rohstoffe werden unter hohem Druck zu stabilen und geruchsneutralen Platten gepresst. So sind die Elemente baubiologisch wertvoll und bestens für das nachhaltige Bauen geeignet, das Alexander Nägele bei der alten Schlosserei anstrebte. Sein Prinzip, Altes und Neues zu verbinden, zeigt sich sowohl an der Gestaltung des Gebäudes als auch an der Wahl der Baustoffe. So schuf er einen Lebensraum, der den heutigen technischen Anforderungen gerecht wird und sich an gestalterischer Tradition orientiert.

Keywords
arcguide Sonderausgabe 2023
Projekte
arcguide Partner
Architektenprofile
 


Sie möchten auch Ihr Büro präsentieren und Ihre neuesten Projekte vorstellen? Zum Antragsformular »


Sie haben bereits ein Büroprofil auf arcguide.de und möchten Ihre neuesten Projekte vorstellen? Zum Projektformular »

Ausschreibungen
Konradin Architektur
Titelbild md 03-04
Ausgabe
03-04.2024 kaufen
EINZELHEFT
ABO

 


Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de