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Reuchlinhaus in Pforzheim

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Reuchlinhaus in Pforzheim

Nachkriegsarchitektur neu interpretiert

Über alle Epochen hinweg haben Architekten durch ihre Ideen fasziniert, haben mit ihren Bauwerken die Betrachter erstaunt und verzückt. Manches Bauwerk hat die Zeiten überdauert und vermittelt noch heute einen Eindruck davon, wie seine Erbauer einst dachten und handelten. Dass Gebäude aber nicht nur geplant und ausgeführt, sondern auch bewahrt werden wollen, gehört ebenso zur Profession des Architekten. In solchen Fällen ist vor allem Einfühlungsvermögen gefragt, um einerseits den Genius des Bauwerks zu bewahren, um es andererseits aber auch neu zu erschließen. Die Aufgaben sind keineswegs nur praktischer Natur – Beseitigung baulicher Mängel und Nachrüstung -, sondern ein historisches Bauwerk sollte bei seiner Renovierung auch interpretiert werden, um es dem eigenen Zeit-geist zu öffnen. Ein gelungenes Beispiel einer Neugestaltung unter Bewahrung der historischen Optik und Atmosphäre ist das neue Schmuckmuseum in Pforzheim.

Das Reuchlinhaus in Pforzheim – inspiriert von Le Corbusier und Mies van der Rohe, entworfen und erbaut zwischen 1957 und 1961 von Manfred Lehmbruck – repräsentiert die Nachkriegsmoderne und steht inzwischen unter Denkmalschutz. Einst beheimatete der Multifunktionsbau Museum, Konzert- und Veranstaltungssaal, Verwaltung und eine Bibliothek. Jetzt haben HG Merz Architekten und Themengestalter das Gebäude sa-niert, umgebaut und dabei zeitgemäß interpretiert: die ehemalige Bibliothek wurde zum Schmuckmuseum, ein Café lädt zum Verweilen, ein Museumsshop zum Stöbern und Kaufen ein.

Drei Jahre Planung und Bauzeit dauerte die 2006 abgeschlossene Sanierung, Kostenpunkt: 6,8 Millionen Euro. Der Bauherr, die Stadt Pforzheim, und der Architekt hatten den Anspruch, die historische Gebäudeansicht weitestgehend wieder herzustellen. Die nötige Erfahrung und das Geschick dazu brachte das Archi-tekturbüro mit – es hat bereits die alte Nationalgalerie in Berlin erfolgreich saniert. In Pforzheim wurden verschiedene Umbauten aus den vergangenen Jahrzehnten, die das Reuchlinhaus unvorteilhaft verändert hatten, wieder rückgängig gemacht – das Erbe Lehmbrucks sollte neu in altem Glanz erstrahlen. Parallel dazu mussten viele Sanierungsaufgaben vorgenommen werden. Wind und Regen haben im Laufe der Jahrzehnte deutliche Spuren hinterlassen. Große Fensterfronten in Kombination mit Sichtbeton prägen das Gebäude. An den Fenstern zeigte sich Verschleiß, aber auch im Beton gab es große Abplatzungen. Auf die Außenfassade wurde deshalb eine 3 Zentimeter dicke Betonschicht aufgezogen, die Fenster wurden komplett neu konstruiert und ersetzt.

Eine weitere Herausforderung bestand in einem Umbau von Teilen des Ensembles für neue Nutzungsmöglichkeiten. Schon vor Jahren hatten sich die Stadtbibliothek und das Heimatmuseum aus dem Multifunktionsbau verabschiedet. Statt dessen wurde das Schmuckmuseum immer umfangreicher und wuchs zum eigentlichen Zentrum des Reuchlinhauses heran. Hier lag die Hauptaufgabe: Es sollten attraktive Ausstellungsräume für die Kostbarkeiten entstehen. Die Schwierigkeit bestand darin, dass Lehmbruck baulich bewusst eine Abgrenzung der einzelnen Funktionsbereiche vorgenommen hatte, die jetzt beim Umbau zusammengelegt werden sollten.

Um ein harmonisches Gesamtbild zu erzielen, war Fingerspitzengefühl gefragt. So hat der Architekt die ehemalige Bibliothek einerseits mit in den Museumsbereich einbezogen, andererseits ist sie in ihrer alten Funktion in Spuren noch erkennbar: Die leeren Bücherregale im ca. 40 m langen Einbauschrank im Obergeschoss zeugen von der einstigen Bestimmung, auch die Atmosphäre hat sich kaum verändert. Neue Vitrinen stehen locker in einer Reihe oder hängen filigran – einem Entwurf Lehmbrucks nachempfunden – von der Decke. Dickes, satiniertes Acrylglas ummantelt die Holz-Stahlkonstruktionen der eleganten Vitrinen, kostbare Juwelen sind auf edlem Stoff gebettet, effektvoller Lichteinsatz perfektioniert die glanzvolle Inszenierung. Dezent in Schubfächern unter den Glaskästen versteckt, findet der Besucher ausführliche Informationen zu den Exponaten.

Die Ausstellungsräume selbst sind mit grauem Teppichboden ausgelegt, alle weiteren Böden mit DLW Uni Walton, dem uni-farbenen Linoleum von Armstrong. Dieser Klassiker der puristischen Bodengestaltung eröffnete dem Architekten nahezu unbegrenzte Möglichkeiten der Raumgestaltung, beispielsweise im zentralen Foyer, das auch heute noch das Herz des Ensembles bildet. Vor allem wegen seiner vielen positiven Eigenschaften gerade in öffentlichen Gebäuden eignet sich Linoleum für das Pforzheimer Reuchlinhaus, denn es ist reinigungsfreundlich, langlebig – und dadurch auch besonders wirtschaftlich – und es ist ökologisch: Linoleum wird nach wie vor überwiegend aus natürlichen Rohstoffen wie Leinöl, Naturharzen, Jute sowie Holz- und Korkmehl hergestellt. Besonders im viel frequentierten Museum ist der Belag dank seiner guten Rutschhemmung und Strapazierfähigkeit gefragt. Für noch mehr Nachhaltigkeit bietet Armstrong Linoleum inzwischen auch mit einer speziellen PUR-Vergütung an.

Weitere Informationen:

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