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Gent Auditorium – ein gigantisches Puzzle aus American White Oak

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Gent Auditorium – ein gigantisches Puzzle aus American White Oak

Im Zentrum der belgischen Stadt Gent wurde das Universitätsgelände weiter ausgebaut. Im neuen Universitätsforum (kurz: UFO), das zum Studienjahr 2009/2010 öffnete, befindet sich unter anderem das Auditorium mit 1.000 Sitzplätzen. Der Innenbereich ist mit beeindruckenden American White Oak Dielen ausgekleidet, die sowohl für den Boden als auch für Teile der Wände und Decken eingesetzt wurden. Der leicht gräuliche Farbton des Holzes harmoniert dabei sehr gut mit der schlichten Bauweise des Gebäudes. Zahlreiche Holz-Paneele sind so angelegt, dass sie aussehen wie ein gigantisches Puzzle aus American White Oak. Durch diese spezielle Bauweise besticht das Auditorium mit einer ausgezeichneten Akustik.

Ein großer, gut integrierter Baukomplex
Für die Architekten Xaveer de Geyter und Stéphane Beel war dieser neue Gebäudekomplex eine Chance, das Stadtgefüge zu festigen. Das UFO ist ein beeindruckendes Bauwerk mit einer Länge von 100 Metern, einer Breite von 30 Metern und einer Höhe von 17 Metern. Es befindet sich auf einem schmalen, 800 Meter langen Geländestreifen, der auf einer Seite von der belebten Sint-Pietersnieuwstraat und auf der anderen Seite von einem der vielen Kanäle, die durch das Stadtzentrum führen, begrenzt wird. Die Architekten haben das Gefälle des Grundstücks entlang der Straße und zum Kanal geschickt genutzt und so das massige Bauvolumen unauffällig in die Stadtlandschaft integriert.

Schlichte große Flächen
Was dem Betrachter beim ersten Blick auffällt, ist der nüchterne Anblick des Bauwerkes von außen: schlichter Beton und Glas. Von der Straße aus kann das Eingangsfoyer durch die große Fensterfront eingesehen werden. Der Fußboden des Foyers besteht aus Betonplatten, in die polierte Feuersteine eingelegt sind. In der mit schwarzen Platten bekleideten Raumdecke sind in unterschiedlichen Abständen Leuchtbänder eingelassen. Die riesigen weiten Flächen werden von Stahlträgern unterbrochen, die den Betonboden des darüber liegenden Auditoriums stützen. Die Architekten haben das Volumen des ansteigenden Auditoriums geschickt über die Höhe des Gebäudes verteilt, so dass nur ein Drittel des Volumens die Ebene des Foyers in Anspruch nimmt.

Beim Betreten des Auditoriums fallen als Erstes die mit American White Oak bekleideten Zugangstüren auf. Zudem erzeugt die warme Ausgestaltung des Raumes einen Kontrast zu der schlichten Atmosphäre des Eingangsfoyers. Für den stufenweise ansteigenden Fußboden verwendeten die Architekten im gesamten Auditorium 1.500 m² schmale, massive American White Oak Dielen, die sie schiffsbodenartig verlegten. Diese Dielen wurden auf OSB-Fußbodenplatten befestigt, die, um den Brandschutzauflagen zu entsprechen, wiederum auf Gipsbauplatten aufliegen. Die Wände und Decken des Auditoriums bestehen ebenfalls aus American White Oak. Diese gehobelten Latten mit einer Größe von 2 x 3 Zentimetern haben unterschiedliche Längen von 1 Meter bis 3,5 Meter. Dabei wurden die schmalen Latten nach einem grafischen und komplexen Muster verlegt.

Zwischen den Latten und der Platten-Unterkonstruktion wurde eine schwarze feuerhemmende Gewebebespannung eingebaut, um das Verlegemuster deutlicher hervortreten zu lassen. Die Wellen des Musters wiederholen sich auf der gesamten Länge jeder Wand und sehen wie die digitalen Schwingungen eines elektronischen Spektrogramms aus. Sobald man sich die Bekleidung aus nächster Nähe ansieht, erkennt man die Komplexität des Musters.

Einhaltung der Brandschutzauflagen bei gleichzeitiger Akustik in höchster Qualität
Die Architekten bemühten sich um eine technische Lösung, die zwei wesentliche Anforderungen erfüllen sollte. Erstens musste der Brandschutz M1 eingehalten werden, um zu gewährleisten, dass das Material mindestens 30 Minuten einem Feuer standhält. Zweitens sollte ein Akustikstandard erreicht werden, der es den Studenten in den hinteren Reihen erlaubt, einen Vortrag ebenso gut zu hören wie die Studenten weiter vorn. In einem Auditorium mit 1.000 Sitzplätzen war das eine beachtliche Herausforderung.

„Wir wollten dasselbe Material für den Fußboden und die Deckenbekleidung verwenden. Die schmalen Latten aus American White Oak erwiesen sich dabei als das beste Lösungskonzept. White Oak hat einen leicht gräulichen Farbton, der gut mit der schlichten Bauweise des Gebäudes harmoniert“ sagte der ebenso an dem Projekt beteiligte Architekt Joris Van Huychem.

Um den Brandschutzstandard M1 einzuhalten, mussten die American White Oak Latten nach dem Zuschnitt und Hobeln mit einem feuerhemmenden Mittel druckimprägniert werden. In die vorgefertigten Paneelen mit den Latten und den feuerhemmenden Gipsbauplatten fügten die Ingenieure ein schwer entflammbares Gewebe ein. Nach Montage der Paneele brachten sie einen 7 Zentimeter dicken, schalldämmenden Steinwolledämmstoff dahinter an.

Die Fußbodendielen aus technisch getrockneter FAS American White Oak wurden jedoch nicht mit einem Brandschutzmittel behandelt, sondern nur auf das Maß 1 x 3 Zentimeter zugeschnitten und in fallenden Längen bis 1,5 Meter verlegt. Um das raue Erscheinungsbild zu erhalten sind die Flächen der Dielen nicht gehobelt. Zudem sorgte sich der Verleger JADOUL um die Dimensionsstabilität. Daher trug die Firma nach der Verlegung lediglich einen Fußbodenlack (Plastor PUR-T® 4) auf, um die Nutzungsdauer zu verlängern.

Ein gigantisches Puzzle
Tontechniker hatten empfohlen, dass mindestens 30 Prozent der 1.000 m² Decken- und Wandflächen nicht mit Eichenlatten bekleidet werden sollten, um so die Schalldämpfung zu verstärken. Zudem erklärten sie, dass sich die nicht bekleideten Flächen überwiegend im oberen Bereich der Wände befinden sollten. Um einen ästhetischen Übergang zwischen den oberen und unteren Abschnitten der Wände zu erreichen, designten die Architekten mit dem Tischlereiunternehmen DRAFAB ein kraftvolles wellenförmiges Muster. Auf Wunsch der Architekten sollte das Muster der Paneele dabei so zufällig wie möglich ausfallen. Daher entwarfen die Mitarbeiter von DRAFAB am Computer eine Serie von zwanzig verschiedenen Paneelen. Diese Eichenlatten in unterschiedlicher Länge und Breite waren dafür vorgesehen, sie mit anderen Paneelen in unterschiedlicher Anzahl und Reihenfolge zu kombinieren. So wollten sie eine Art Zufallsmuster kreieren. Anschließend testeten sie verschiedene Kombinationen eines Modells in Originalgröße. Dies ermöglichte es, die genaue Anzahl der Paneele eines jeden Modells zu ermitteln. So konnte der Einbaufirma ein exakter Verlegeplan für den Aufbau dieses gigantischen Puzzles zur Verfügung gestellt werden. Um zu gewährleisten, dass die Paneele innerhalb eines Modells, genau übereinstimmten, frästen sie eine Negativform in eine MDF-Platte mit einer CNC-Maschine. Anschließend bauten sie die verschiedenen Modelle der Paneele in den erforderlichen Stückzahlen zusammen.

Um den Brandschutzauflagen zu genügen, brachten die Architekten an der Vorder- und Rückfront des Auditoriums Rauchklappen an. Hier wurden die Paneele mit den Eichenlatten offen, das heißt ohne Plattenauflage verlegt, damit gegebenenfalls Rauch abziehen kann.

Bei genauer Betrachtung der Wandpaneele fällt auf, dass einige Latten auf ihrer zwei Zentimeter und andere auf ihrer drei Zentimeter breiten Seite befestigt wurden. Diese Verlegung ergibt eine unebene Oberfläche, die von den Tontechnikern so gewollt war, da das die Schallwellen besser dämpft. Nach diesem Prinzip verlegten sie auch die Eichendielen des stufenweise ansteigenden Fußbodens. Die Sitzreihen stehen auf unterschiedlichen Höhen zu den vier Treppenreihen und der Winkel der Stoßstufen beträgt 85°. Diese zusätzliche Herausforderung veranlasste die Verleger auch für den Fußboden ein Computermodell herzustellen. Sie fertigten verschiedenen Fußbodensektionen vor, um sie später auf der Baustelle einzubauen. Mit diesen Maßnahmen hat man eine bemerkenswerte Qualität der Akustik erreicht: „Studenten erzählen mir, dass sie nicht den Eindruck haben, sich in so einem riesigen Auditorium zu befinden“ kommentierte Michaëla Geenens, die für das Projekt zuständige Ansprechpartnerin der Universität Gent. Alle Holzarbeiten wurden innerhalb eines sehr engen Zeitfensters im Sommer 2009 durchgeführt, damit das Auditorium rechtzeitig zum Semesterbeginn 2009/2010 fertiggestellt werden konnte.

Ökologische Vorteile des Projektes
Die Tischler verarbeiteten etwa 90 bis 100 m³ American White Oak für die Herstellung der Paneele der Decken und Wände. Angenommen, dass ein Kubikmeter getrocknetes Laubholz etwa 0.9 t CO² speichert, dann ergeben die 90 m³ American White Oak, die der Tischler für die Herstellung der Eichenpaneele verwendete, einen Speicher von 81 t CO². Diese einfache Kalkulation berücksichtigt noch nicht die 1.230 m² Fußboden, die ebenfalls aus Eichenholz bestehen oder die Reduzierung der CO² Emissionen im Hinblick auf eingebettete Energie, das heißt Energie und CO² Emissionen, die für die Herstellung von alternativen Materialien benötigt würden. Der Schiffstransport von amerikanischen Laubhölzern über den Atlantik erfordert etwas mehr Energie als ein 500 Kilometer langer Transport über Land. Viele Architekten zögern, Importhölzer zu verwenden, da sie meinen, dass ein negativer Einfluss auf die CO² Emissionen im Zusammenhang mit dem Transport besteht. Tatsache ist jedoch, dass die CO² Emissionen im Verhältnis zum Transport für amerikanische Laubhölzer minimal sind, weil der größte Teil des Transportweges per Schiff erfolgt. AHEC hat eine Studie zum Thema Ökobilanz hinsichtlich ihrer wichtigsten Holzprodukte in Auftrag gegeben, die genaue wissenschaftliche Daten hierzu ermitteln soll.

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