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Bürogebäude für „KMAR – Koninklijke Marechaussee“

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Bürogebäude für „KMAR – Koninklijke Marechaussee“

Zahlreiche ambitionierte Bauprojekte, u.a. auf Java-Ijland, Zeeburg und an der Westerkade, entwickelten in den vergangenen Jahren eine spezifische Amsterdamer Architektur an den verschiedenen Wasserfronten. Ein Gelände im Oosterdock, angrenzend an das  Schifffahrtsmuseum und unweit des  Hauptbahnhofs, weckte Begehrlichkeiten der Stadt, die mit weiterer Bebauung dem chronischen Wohnraummangel Abhilfe schaffen wollte. Doch der Eigentümer, die niederländische Marine, wehrte sich gegen städtische Ansprüche, auch weil der zwischenzeitlich nur extensiv genutzte Ort für sie prestige- und geschichtsträchtig ist: Hier nahm im Zuge der Gründung der Ostindischen Kolonie auch die Niederländische Marine ihre Anfänge.
Der Kölner Architekt Norbert Wansleben entwickelte für die Marine ein auf lokal-historische und bautypologische Metaphern beruhendes  Konzept, das sowohl die militärische als auch die  rezente architektonische Tradition Amsterdams  fortschreibt: Er entwarf eine stadtgewandte  Festung.

Von der Innenstadt kommend, eine der vielen  Amsterdamer Brücken überquerend, eröffnet das Schifffahrtsmuseum eine städteräumliche Sequenz – auf der einen Seite ans Wasser grenzend, zur  Straße durch eine Mauer markiert-, die nun vor  der Überquerung der folgenden Brücke durch Wanslebens Bau geschlossen wird. Wie das Schifffahrtsmuseum ist das neue Gebäude ein Würfel. Die Fassade besteht aus Beton, besetzt mit dunklen Natursteinen und 1.750 Fenstern gleicher Abmessung, die in einem strengen Raster  angeordnet sind. Dadurch wirkt der „wehrhafte  Bau“ zwar intransparent – so sind auf Sichthöhe  bewusst keine Fenster – und dennoch  kommunikativ: Tags reflektiert das Glas  Wasserbewegungen, nachts wechselt die Fassade  ihre Muster je nach beleuchteten Zimmern.

Wansleben sagt: „Mir geht es um Ambivalenzen zwischen Bedeutung und Rätsel, Ordnung und Chaos, dem Formellen und Informellen, die zu einem zweiten, wiederholten Blick anregen. Die hierdurch wachsende Neugier des Betrachters ist das eigentliche Ziel: Das Gebäude bleibt dem Betrachter, der Amsterdamer Öffentlichkeit nicht gleichgültig“.
Das Thema der Festung schreibt sich in den Strukturmerkmalen fort: Für die Autorisierten  Nutzer erfolgt Zugang über Rampen und Falttore, die dann in einen abgestuften, auf der niedrigeren Stufe als Parkplatz konzipierten, auf der höheren Stufe begrünten Innenhof gelangen. Hier öffnet sich das Gebäude durch großzügige Fenster; entsprechend licht sind die Büroräume. Farbig lasierte Holzblenden lassen Erinnerungen an nordische Sommer aufkommen. Während sich die Außenfassade also als schützendes Schild um das Gebäude legt und Distanz schafft, verspricht die Innenhofgestaltung ein angenehmes Arbeitsklima.
Die architektonische Öffentlichkeit Amsterdams zeichnete Wanslebens Bau durch die Nominierung für den Amsterdamer Architekturpreis 2009 aus; und die Marechaussee zeigte sich so befriedigt über ihre stadtgewandte Festung, dass sie zur Eröffnung eine echte Festungsnahme inszenierte – mit Panzern und (lauten, aber unschädlichen) Granaten.

Die „KMAR – Koninklijke Marechaussee” lässt sich am besten als eine Polizeiorganisation mit Militärstatus beschreiben. Organisatorisch ist sie seit 1998 neben der Armee, der Marine und der Luftwaffe die vierte eigenständige Organisationseinheit des niederländischen Verteidigungsministeriums.

Die Spannung zwischen

Regel + Ausnahme
Wiederholung + Variation
Statik + Kinetik
Fläche + Struktur
Kontext + Objekt
Bedeutung + Rätsel
Gruppe + Individuum
Ordnung + Chaotik
Vielfalt + Schlichtheit

haben wir versucht, bei dem Projekt für die KMAR auszuloten.

Wir sehen hierin einen Ausdruck für die ambivalente Situation der Nutzer, zwischen der Institution und dem Individuum, das ihr dient, zwischen dem Polizisten als Funktion in der Uniform und der Person darunter, zwischen der Gesellschaft, die Sicherheit fordert, aber die Sicherheitskräfte skeptisch betrachtet. Hierdurch erhält das Gebäude Bedeutung und kann in einen Dialog mit dem Betrachter und Nutzer treten. Es spricht zu der Stadt, die es hervorgebracht hat.
Es vermittelt eine Botschaft über seine Identität, um diese auch gleichzeitig zu verschleiern. Man meint das Gebäude sehr schnell zu verstehen, beim näheren Betrachten heben sich die  Gewissheiten aber wieder auf. Ist das Gebäude dunkel oder hell? Ist es geschlossen oder  transparent? Wie viele Geschosse hat es eigentlich? Diese Fragen lassen sich nicht mehr eindeutig beantworten. Hinzu kommen die unterschiedlichen
Eindrücke durch verschiedene Lichtverhältnisse oder Witterungen. Der Betrachter bildet sein eigenes Urteil, das allerdings nur für den Augenblick gilt. Die nächste Begegnung, der zweite Blick, führt zu anderen Sichtweisen. Um das Projekt in seiner Nutzungsbedeutung kenntlich zu machen, wurde die Typologie der „Burg“ gewählt. Merkmale wie der Zugang über eine Rampe durch ein Tor auf einen höher gelegenen Hof oder die Spindeltreppen zwischen den Geschossen sind hierauf zurück zu führen. Städtebaulich ist es ein Pendant zum Scheepvaartmuseum und bildet so Anfang und Ende einer stadträumlichen Sequenz.

Autor: Wansleben-Architekten

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