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Stadtquartier am Münchner Domagkpark wird Dorfplatz

Knauf Gips KG
Stadtquartier am Münchner Domagkpark wird Dorfplatz

Stadtquartier am Münchner Domagkpark wird Dorfplatz
WagnisArt im Münchner Domagk-Park ist ein Lichtblick für gemeinschaftliches Wohnen. Die ineinander übergehenden Hofflächen sind stets belebt. Brücken verbinden die Baukörper.. I Bild: Knauf/Bernd Ducke
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Im Domagk-Park im Münchner Norden, auf dem Gelände der ehemaligen Funkkaserne, haben mehr als 4000 Menschen ein neues Zuhause gefunden. Entwickelt wurde ein klassisches städtebauliches Quartier mit meist gleichförmigen mehrgeschossigen Wohnbauten. Im Osten des Geländes jedoch, an der Schnittstelle der Mehrgeschoss-Bauten zu über hundert Künstler-Ateliers, ist ein lebhafteres, ein außergewöhnliches Projekt entstanden. Es will die Gemeinschaft fördern und zeigt, was Genossenschaften und Architekten im kreativen Dialog für eine aktive und generationenübergreifende Nachbarschaft zu leisten vermögen.

WagnisART nennt die Genossenschaft Wagnis fünf Häuser, die als „Steine“ spielerisch in den Stadtraum gewürfelt scheinen. Sie sind nach den fünf Kontinenten benannt und bieten 9.600 m² Wohnfläche für 138 Wohnungen. So verbindet die Anlage quasi als Scharnier die geradlinigen nahezu gleichmäßigen Blöcke der sonstigen Parkbebauung mit der Künstlerkolonie nebenan.

Städtebauliche Situation
Durch beharrliche Vorarbeit konnte die Genossenschaft erreichen, dass das Baugrundstück aus den Festlegungen des Bebauungsplans gelöst und als „weißes Feld“ definiert wurde. So durften sich die Architekten austoben, die in einem konzeptionellen Bewerbungsverfahren von den zukünftigen Bewohnern ausgewählt wurden. Sie verpflichteten ihre Lieblings-Architekten zu einer Arbeitsgemeinschaft. So entstand die ARGE bogevischs buero architekten & stadtplaner und SHAG Schindler Hable Architekten GbR. Diese ließen sich gerne ein auf einen intensiven und ergiebigen Austausch mit den Baugenossen und setzten per partizipativer Arbeitsweise konsequent die Wünsche der Bewohner um.

Das Ergebnis sind fünf Baukörper, gruppiert um zwei Höfe – ein kleines Dorf. Nachbarschaft und Freundschaft und werden gefördert durch gemeinschaftlich zu nutzende Einrichtungen und Verbindungen der einzelnen Bauten über „Skywalks“. Fünf Häuser, fünf freistehende Polygone, alle fünfgeschossig. Unregelmäßige Formen führten folglich zu unregelmäßigen und unterschiedlichsten Grundrissen. Dieses Planungsprinzip war Wunsch der Bauherren und jeder fand die Wohnungsgröße und Form, die ihm zusagte. Zusammengefunden haben hier Alt und Jung, Singles, Paare, Familien mit Kindern aus allen gesellschaftlichen Schichten, denn neben freifinanziertem Wohnraum entstanden auch Wohnungen im so genannten München-Modell und EOF-geförderte Wohnungen. Über diese Vielfalt hinaus bietet das Wohnprojekt eine Reihe von Möglichkeiten, um Arbeiten und Freizeit zu gestalten. Nutzen lassen sich dazu Ateliers, Büros, Praxen, Werkstätten, Veranstaltungs- und Gemeinschaftsräume, Waschsalon und Terrassen. Folgen wird noch ein Gasthaus.

Wohnmodelle und Raumprogramm
Fünf Häuser bieten neben unterschiedlichsten Wohnungsgrößen und Grundrissen auch eine neue Wohnform. 30 Prozent der Wohnfläche wurde für so genannte Clusterwohnungen bereitgestellt. Sie verfügen über gemeinschaftlich genutzte Wohnbereiche und Küchen. Zurückziehen kann man sich in einen eigenen Wohn- und Schlafbereich. Zu finden sind diese Wohnmodelle vom ersten bis zum vierten Obergeschoss der Häuser Europa und Afrika sowie in Australien vom Erdgeschoss bis zum dritten Obergeschoss. Zehn Cluster mit jeweils vier bis acht Apartments, zusammen insgesamt 58 Apartments.

Funktioniert gemeinschaftliches Wohnen in der Praxis? „Die Wohnbaugenossenschaft wagnis e. G. wollte etwas Neues wagen und in der „Singlehauptstadt“ München neue Wohnkonzepte anbieten. Das Wohnen in den Clustern stellt sicher eine Herausforderung dar, besonders weil auch hier alle Finanzierungsformen vertreten sind, also Menschen unterschiedlichster Couleur eine Gemeinschaft bilden“, erläutert Architekt Walter Hable. „Es funktioniert gut, wo Bewohner sehr früh zusammengefunden haben. Das gemeinsame Wohnen will geübt sein, birgt jedoch enormes kreatives Potenzial. Jeder kann, wenn er will, in sein eigenes Apartment mit eigener Kochnische und Bad ausweichen. Diese Form des Wohnens wird vielleicht eine Nische bleiben, kann jedoch wichtige Impulse setzen“.

Allen Bewohnern stehen die Terrassen und Brücken, sowie die intensiv bewirtschafteten Dachgärten auf den Häusern Amerika und Asien zur Verfügung. Die großzügig dimensionierten Treppenräume werden über Glasdächer belichtet und dienen als zusätzliche Begegnungsbereiche. Alle Wohnungen und Nutzungsbereiche sind barrierefrei gestaltet. Bereits am Vormittag trifft man in den Höfen kleine Gruppen, die sich austauschen. Man fühlt sich hier sehr schnell sehr wohl. Die Baukörper bilden ebenfalls keine räumliche Barriere, sie öffnen sich viel mehr nach allen Seiten und gestatten auch Besuchern Platz zu nehmen in den Höfen. Der große Veranstaltungsraum und Dienstleistungen im Erdgeschoss wirken ins gesamte Quartier hinein und lassen sich auch von Gästen aus der Nachbarschaft nutzen. Noch mehr Publikum wird das geplante Gasthaus anziehen.

Gestalt, Baukonstruktion, Fassade
Die polygonförmigen Baukörper bestehen aus einer hybriden Konstruktion. Vor das Stahlbetontragwerk sind vorgefertigte Fassadenelemente in Holzbauweise gehängt. Die Architekten entwickelten eine extrem leistungsfähige Konstruktion und bauphysikalisch hochwertige Anschlussdetails, denen das Siegel „Zertifiziertes Passivhaus“ erteilt wurde. Der Kennwert für die Gebäudeheizung ist auf einen Heizwärmebedarf von15kWh(m²a) festgeschrieben.

Die Elemente bekleiden die Stahlbetonstützen und bilden den Träger für die in der Gestaltungssatzung vorgegebene Putzbeschichtung. Die Verbindung Fassade und Tragwerk waren eine entscheidende Schnittstelle für die auf Dichtheit geprüfte Gebäudehülle.

Konstruiert wurden für die Grundwand Holzrahmen aus 300/50 mm Ständern, auf die beidseits 15 mm dicke OSB-Platten geklammert wurden. Der Hohlraum ist mit zwei Lagen 140 mm und 160 mm dicken Mineralwoll-Platten (WLG 035, Rohdichte 19 kg/m³) ausgefacht. Außen folgt vollflächig ein Wärmedämm-Verbundsystem auf einer 60 mm dicken Steinwolle-Putzträgerplatte, die mit 10 mm mineralischem Putz beschichtet wurde.

Komplettiert wird die Konstruktion innen durch die Trockenbauer. Kreuzweise angeordnete Grund-und Trag-Hölzer (30/50 mm) sind zweilagig mit Mineralfaserdämmstoffen ausgefacht und dienen so als Schutz für die Dichtanschlüsse und als Installationsebene für die Elektroinstallation. Geschlossen wird die Außenwand innen mit zwei Lagen Knauf Platten je 12,5 mm dick. Damit wird der Brandschutz sichergestellt und mit sehr gutem Wärmeschutz die energetische Leistung für ein zertifiziertes Passivhaus erbracht. Eine wesentliches Anforderung für Fassaden, ein guter Schallschutz, wird mit gemessenen RW-Wert = 59 dB erreicht

Trockenbau-Technologie leistet besten Schallschutz.
Anspruchsvoll im Ausbau der Cluster war die Montage der Wohnungstrennwände. Für einen erhöhten Luftschallschutz RW nach Beiblatt 2 der Norm mit 55 dB wurde eine Knauf W115 mit doppelten Ständerwerk und jeweils beidseitig zwei Lagen 12,5 mm dicker Knauf Diamant gewählt. Die mit Gipsplatten beplankten Wände, die hohen Brandschutz und eine hohe mechanische Festigkeit sicherstellen, wurden einer Güteprüfung unterzogen. Die beiden gemessenen Wände leisten mit einem bewerteten Schalldämm-Maß von R‘W = 58 dB beziehungsweise 61 dB einen Schallschutz, der die erhöhten Anforderungen von R‘W ≥ 55 dB deutlich übertrifft.

In den Wohnungen liegende Raumtrennwände wurden grundsätzlich als W 112 Einfachständerwand mit jeweils zwei Lagen 12,5 mm dicker GKB ausgeführt.

Für Treppenhäuser und Gemeinschaftsräume suchte man eine akustisch wirksame abgehängte Decke mit geringer Aufbauhöhe. Realisiert wurde einer Knauf Lochplattendecke D 113 und einer Bekleidung aus Cleaneo Streulochung 8/15/20 R und einem Lochflächenanteil von 9,9 Prozent. Dieser gestalterische Akzent hat sich gelohnt, die gute Akustik wird allseits gelobt.

138 Wohneinheiten auszubauen ist eine stattliche Aufgabe. Das 15-köpfige Team der TM-Ausbau GmbH unter Leitung von Bernhard Heigl wurde dem guten Ruf des Unternehmens gerecht und bewältigte die Aufgaben perfekt. Dazu zählten die Vorwandkonstruktionen in den Bädern, viele Schachtwände und horizontale kofferförmige Bekleidungen unter den Decken für die kontrollierte Lüftung. Auch hier bewährte sich Knauf Diamant, die mit höherer Dichte einen besseren Schallschutz leistet.

Ausblick
Die Qualitäten der Wohnanlage wurden in der Fachwelt schnell erkannt und gewürdigt. Bauherren und Architekten dürfen sich freuen über die Verleihung des Deutschen Städtebaupreises 2016 und einer Anerkennung beim Deutschen Architekturpreis 2017 und eine Nominierung zum Deutschen Bauherrenpreis 2018. Eine der wertvollsten Auszeichnungen ist der Forschungsbericht der ökologischen Untersuchung der TU München, die der Bauweise ein beste Ökobilanz attestiert. Allein durch das Tragwerk aus Holz lassen sich 22 Prozent Kohlendioxid einsparen. Die wissenschaftliche Begleitung wurde möglich mit Unterstützung der Obersten Baubehörde in Bayern. Die Erkenntnisse helfen, Wohnbauten nachhaltiger zu gestalten.

Müssen Stadtplaner und Entwerfer umdenken? Nicht gleichmäßige Riegel, in denen Menschen verschwinden und keinen Nachbarn mehr kennen? Besser offene Räume und durchaus lebhaftere, unterschiedliche Gebäudeformen und begrünte Plätze. Menschen wollen sich treffen, kommunizieren und sich wohl fühlen. Wie in einem Dorf. Solches Denken und Handeln verbindet man heute gerne mit dem Begriff Heimat. Alle, die am Wohnungsbau teilhaben, sollten aufmerken und wieder Heimat schaffen.

Bautafel

Bauherr:
Wohnungsbaugenossenschaft Wagnis eG, München
Architekten:
ARGE wagnisART bogevischs buero architekten, stadtplaner GmbH mit SHAG Schindler Hable Architekten GbR, München
Akustik:
Steger Partner GmbH, München
Trockenbau:
TM-Ausbau GmbH, Puchheim
Fachberatung:
Bernhard Bredl und Hans Heinzl, Knauf Gips KG

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