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Schneller zum Luxus: Hotelbau über U-Bahntrasse

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Schneller zum Luxus: Hotelbau über U-Bahntrasse

Platz und Zeit waren rar beim Bau des neuen Scandic Hotels in Berlin am Potsdamer Platz. Zudem musste das Gebäude über einer U-Bahn gebaut werden – bei laufendem Betrieb der Linie U2. Dank Betonfertigteilen und dem Zementfließestrich CemFlow konnte das scheinbar Unmögliche möglich gemacht werden.

Der Potsdamer Platz ist in. Während Sony Center, BahnTower, Filmmuseum Berlin und der Kollhoff-Turm bereits seine Erscheinung prägen, entstehen in den Nebenstraßen weitere neue, markante Bauten. So auch auf der Gabriele-Tergit-Promenade, Hausnummer 19, direkt am Mendelssohn-Bartholdy-Park. Hier präsentiert sich seit Oktober 2010 auf etwa achtzig mal sechzig Metern das neue Gebäude der Hotelkette Scandic. Es ist neben dem in Lübeck erst das zweite Hotel des schwedischen Unternehmens in Deutschland und stellt hier das Flagschiff dar. Ein weiteres Hotel in Hamburg ist im Bau und soll in diesem Jahr öffnen. Auf neun Etagen bietet das Hotel Entspannung à la Svenska. Mit schwedischem Interieur und Naturklängen, abgestimmt auf die vier Jahreszeiten, sollen Erholung und Geschäftstätigkeit vereint werden: 565 Zimmer, ein Restaurant, eine Bar mit Terrasse, ein Coffeeshop, ein riesiger Ballsaal und insgesamt 20 Tagungsräume mit einer Kapazität von bis zu 1.000 Personen stehen den Gästen für Entspannung und Arbeit zur Verfügung.

Weit weniger entspannt verliefen die Bauarbeiten für das Hotel. Die größte Herausforderung war die U-Bahn-Trasse, die just auf dem Gelände des Hotels aus dem Boden kam, um überirdisch weiterzulaufen. Das Hotel musste daher auf ganzer Länge über die U-Bahn-Trasse gebaut werden – ohne den laufenden U-Bahn-Betrieb einzuschränken, denn die U2 ist die meist frequentierte U-Bahn-Strecke in Berlin. Gleichzeitig wurde direkt daneben ein zweiter Tunnel für die zukünftig geplante S-Bahn erstellt. Michael Mettke, Bauleiter von Bleck & Söhne – einem als Partner der Arge Scandic für den Rohbau zuständigen Unternehmen –, berichtet: „Das war für die Techniker absolut grenzwertig: Wir mussten über zehn Meter hohe Wände mit besonderen Brandschutzeigenschaften erstellen, hatten aber nur auf der Fläche der zukünftigen S-Bahn-Trasse Platz für das Aufstellen sowie die Lagerung der Halbfertigteile und konnten nur von 1 Uhr 30 bis 4 Uhr 30 montieren, denn dann fuhren keine U-Bahnen.“

Die für die Techniker einzig mögliche Vorgehensweise war der Einsatz von Betonhalbfertigteilen, die von Heidelberger Betonelemente GmbH & Co. KG, Werk Lindwerder, geliefert wurden. Denn lediglich diese Bauweise erlaubte ein nur halbseitiges Abstützen der Hohlwände auf der Seite der S-Bahn-Trasse. Auf der Seite der U-Bahn durften aus Sicherheitsgründen keine Stützen angebracht werden. Aufgrund der enormen Größe der Halbfertigteile von bis zu 10 auf 2,40 Metern konnten diese nur mit Hilfe einer Aufrichtstation für den Einbau aufgestellt werden, was zusätzlichen Platz beanspruchte. „Das war eine riesige logistische Herausforderung“, berichtet Mettke. „Wir konnten die Halbfertigteile nicht lagern, sondern haben sie direkt vom Lkw runter verbaut. Wenn aus Zeitgründen Teile übrig blieben, mussten wir diese wieder abtransportieren.“

Bis die U-Bahn erfolgreich übertunnelt war, durften per Kran keine Lasten über die Bahn gehoben werden. Gleichzeitig wurden jedoch beidseitig die Tiefgaragen und Untergeschosse des Hotels in die Höhe gezogen, um sich dann später über dem Tunnel zu begegnen. Zu Beginn mussten also beide Baustellen getrennt organisiert und beliefert werden.

Auch nach der Überdeckelung der U-Bahn hörten die logistischen Herausforderungen nicht auf. Denn auf sie folgte der Überbau für das Hotel. Doch über einer Trasse gelten besonders restriktive Statikanforderungen. Daher mussten Deckenträger aus Stahl, 25 Meter lang, 1,40 Meter hoch und über 25 Tonnen schwer an die Baustelle transportiert und eingebaut werden. Auf ihnen ruht nun quasi das ganze Hotel. Gleichzeitig ermöglichen sie einen freitragenden Ballsaal von 25 mal 20 Metern Größe. „Wir waren froh, als endlich die Decken über der U-Bahn fertig waren“, gesteht Mettke.

Doch Zeit zum Verschnaufen blieb ihm auch danach nicht. Denn in nur vier Monaten sollte der restliche Rohbau stehen – die anspruchsvolle Etage mit Ballsaal, Meetingräumen und Restaurant sowie fünf weitere Etagen mit etwa 100 Zimmern pro Stockwerk. Mettke erzählt: „Das ging nur mit Fertigteilen.“ Trotzdem war die Zeit knapp. Rüdiger Meissner, Vertriebsleiter der Heidelberger Betonelemente GmbH & Co. KG, Werk Lindwerder, berichtet: „Ab dem vierten Stockwerk haben wir aus drei Betonwerken gleichzeitig die Fertigteile angeliefert, so schnell wurden sie eingebaut.“
Auch für den Boden war die Zeit knapp. Für ihn galt nicht nur, dass er schnell verlegt werden sollte, er musste auch die Erschütterungen der im Untergrund fahrenden U-Bahn abfangen können. Es kam daher nur ein schwimmender Zementestrich auf Dämmung in Betracht. Der beauftragten Firma Kuhn Estriche GmbH standen für die Estricharbeiten nur noch drei Monate zur Verfügung. In dieser Zeit sollte sie rund 23.000 Quadratmeter schwimmenden Zementestrich auf Dämmung verlegen. „Mit herkömmlichem Estrich hätten wir diesen Zeitplan niemals einhalten können“, berichtet Michael Kuhn, Geschäftsführer von Kuhn Estriche GmbH. „Zumal wir bei winterlichen Temperaturen von minus 15 Grad Celsius bis 10 Grad Celsius arbeiten mussten.“

Nach Absprache mit Heidelberger Beton entschied sich die Firma daher für den Fließestrich CemFlow – und konnte in nur 2,5 Monaten die Arbeiten ausführen. Mit zwischenzeitlich 15 Mann kam der Handwerksbetrieb aus Winnenden auf eine Tagesleistung von durchschnittlich 800 bis 1.000 Quadratmeter. „Wir hatten sogar Spitzenleistungen von 2.000 Quadratmetern am Tag“, berichtet Kuhn. Trotz des hohen Tempos war das Resultat ein rissfreier Estrich. Da CemFlow bereits bei einer Restfeuchte von 1,8 Prozent belegt werden darf, konnten in den meisten Bereichen bereits nach drei Wochen die noch ausstehenden 12.000 Quadratmeter Walnuss- und 500 Quadratmeter Bambusparkett sowie andere exklusive Oberbeläge verlegt werden. Nur wenige Bereiche mussten aufgrund des Termindrucks mit Kunstharz imprägniert werden, um eine schnellere Belegbarkeit zu erreichen.
Von Zeitdruck und Platzproblemen ist inzwischen nichts mehr zu spüren. Das Scandic Hotel war bereits zur Eröffnung komplett ausgebucht. Und während unbemerkt im Untergrund die U-Bahn vorbeirumpelt, entspannen sich oberhalb die Gäste im skandinavischen Ambiente.

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