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Büro Sauspiel | Umbau einer Schokoladenfabrik zum Büro | IFUB*

Büro | Berlin | IFUB*
Büro Sauspiel

Firmen im Artikel

2007 saßen vier Freunde aus Bayern in Berlin zusammen und beschlossen, ihren notorischen Mangel an Mitspielern beim in Bayern sehr beliebten Kartenspiel „Schafkopf“ durch eine selbst erstellte Webseite zu beseitigen. Sieben Jahre später war aus der fixen Idee ein großer Erfolg geworden und für das auf 14 Mann angewachsene Team der „Sauspiel GmbH“ mussten neue Räumlichkeiten her. Fündig wurden die Bauherrn in dem Kreuzberg am nächsten liegenden Teil Neuköllns, im Volksmund auch „Kreuzkölln“ genannt. Ein besonders schönes Beispiel historischer Industriearchitektur – die alte Schokoladenfabrik – wurde dort in Teilen zum Kauf angeboten und man konnte sich einen Teil des Hochparterres als zukünftiges neues Büro sichern.

Offene Arbeitsstrukturen und eine flache Hierarchie waren mit dem Wunsch nach viel Stauraum und einer separat nutzbaren Wohnung für Gäste unter einen Hut zu bringen. Weiterhin mussten fehlende sanitäre Anlagen und eine Teeküche ergänzt und insbesondere auch die technische Anbindung der Arbeitsplätze in einem offenen Büro gelöst werden, ohne den wunderbaren Bestand zu beeinträchtigen.

Die Lösung lag in der großzügigen Freilegung der Substanz, kombiniert mit dem Einstellen von raumbildenden Möbeln und Einbauten, die sich dezent integrieren, den Raum definieren und sich spielerisch mit der vorhandenen Architektur vereinigen.

Lage

Das alte Fabrikgebäude liegt im Hinterhof eines kompakten Stadtblocks im Berliner Bezirk Neukölln. Die Nähe zum Landwehrkanal, aber auch zu den belebten Zentren von Kottbusser Tor und Hermannplatz machen die Lage besonders attraktiv für junge Gewerbetreibende. Das Büro befindet sich im Hochparterre, zwei Stockwerke darüber liegt die ebenfalls vom IFUB* sanierte „Wohnung H“.

Historie

Die um 1870 erbaute “Schokoladenfabrik” ist eines der ältesten erhaltenen Gewerbegebäude in diesem Teil Berlins. Von 1926 bis 1973 wurde hier tatsächlich Schokolade produziert, was bis heute namensgebend geblieben ist. 1976/1977 kam das Gebäude zu einiger Berühmtheit da es gegen den Wunsch des Bezirks und der Bauaufsicht allerdings unter ausdrücklicher Zustimmung des Besitzers zu Wohngemeinschaften umgenutzt wurde. Die mehrfach drohende Räumung fand letztendlich niemals statt und so wurde das Gebäude in den folgenden Jahrzehnten nicht nur für seine Bewohnerfeste, sondern auch für den ersten türkischen Kulturverein in Berlin und das Kindertheater Klecks bekannt.

Erst Ende der Neunziger-, Anfang der Nullerjahre wurden die Mietverträge beendet und eine langsame Umnutzung des Gebäudes begonnen. Im Zuge der Aufteilung und Veräußerung des Gebäudes in einzelne Einheiten durch einen neuen Besitzer wurde ein neues Brandschutzkonzept erstellt, was neben der unschön vom Besitzer mitten an der Fassade platzierten Feuerleiter auch eine Aufbereitung der Rohsubstanz beinhaltete. Hier wurde glücklicherweise auf wesentliche Eingriffe verzichtet, obwohl dieses den Kiez doch sehr prägende Gebäude bis heute keine Eintragung in die Denkmalliste aufweist.

Raumkonzept

Allen Überlegungen lag der Wunsch zugrunde, den Bestand in seiner Ursprungsform zu sichern und zu zeigen. Der Rückbau von nachträglichen Einbauten und ungeordneten Strukturen formt damit auch die Basis des Konzepts, in der die Raumstrukturen lediglich durch zwei eingestellte raumhohe Möbel neu organisiert werden.

Die Gestaltung orientiert sich dabei stark am Bestand. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen Alt und Neu, in dem sich das Neue mit Blick von außen klar einfügt und unterordnet, sich bei genauerem Hinsehen aber als Neues mit überraschendem Innenleben entpuppt.

Im Hauptbüro auf der unteren Ebene trennt das wandartige Einbaumöbel den Arbeitsbereich vom Vorraum und integriert nicht nur Stauraum und eine offene Teeküche, sondern versteckt auch Toiletten und einen geheimen, zweiten Zugang im Inneren.

Auf der oberen Ebene über der Durchfahrt in den Hof zeigt sich das Einbaumöbel räumlich und gestalterisch offensichtlicher als eingestelltes Element. Es integriert eine kleine Küche und ein innenliegendes Duschbad, wodurch der obere Bereich nicht nur als Besprechungsraum und Lounge, sondern auch als kleine Wohnung genutzt werden kann.

Durch den separaten Eingang vom Treppenhaus können hier Gäste komplett autark vom Bürobetrieb untergebracht werden.

Nachhaltigkeit, Material, Farbe

Bei einem Umbau im Bestand, insbesondere dann, wenn nur ein Teil des Gebäudes verändert werden kann, gibt es oft nur wenige Möglichkeiten der ökologischen Optimierung.

Wichtigster Bestandteil neben der Aufarbeitung und Abdichtung der originalen Kastenfenster war deshalb die Sicherung, die Freilegung und der Erhalt von möglichst vielen originalen Materialien. Dem einfachen Leitsatz folgend – alles was man nicht entfernt, muss man auch nicht neu herstellen – wurden die Eingriffe auf ein Minimum reduziert.

Im Zuge der Sanierung musste der Brandschutz der tragenden Konstruktion überarbeitet werden. Das Sandstrahlen der originalen, gusseisernen Stützen und Träger für die neue Brandschutzbeschichtung wurde genutzt, um auch die kunstvoll aus Backstein gemauerte, preussische Kappendecke freizulegen. Diese bildet im Farb- und Materialkonzept den Gegenpol zum ebenfalls roten Ziegelboden.

Alle senkrechten, raumumschließenden Flächen wurden dagegen in Weiß gehalten, was für die räumliche Klarheit sorgt. In der Konsequenz wurde alles im Inneren der Räume (Stützen, Träger, Tische, Glastrennwände etc.) bewusst in Schwarzgrau abgesetzt.

Bei allen neuen Materialien wurde gleichermaßen Wert auf hohe Qualität und Dauerhaftigkeit gelegt. Im Vorraum und dem oberen Bereich waren keine originalen Bodenbeläge mehr vorhanden, weswegen hier mit Zementfliesen im Schachbrettmuster und Kiefernholzdielen eine zum Bestand und der Nutzung passende Ergänzung gewählt wurde.

Technik

Eine besondere Herausforderung war es, die frei stehenden Arbeitsplätze anzubinden, ohne den Bestandsfußboden zu zerstören.

Die Lösung kommt nun von oben. Elf drehbare Stahlkräne mit beweglicher Kabelrolle versorgen die flexibel stellbaren Tische mit Strom und Daten. Entsprechend wurden Tische gewählt, bei denen die Kabel von oben durch einen Schlitz zu den Geräten geführt werden können. Die Einzelleuchten an den Kränen sorgen im Zusammenspiel mit auf den Trägern unsichtbar montierten Leuchtbändern für eine gleichmäßige Ausleuchtung der expressiven Decke.

Büro

Im unteren Bereich vereint das neue Einbaumöbel WCs, Teeküche und Stauraum und trennt gleichzeitig Treppenhaus und Vorraum vom großzügigen, nun klar definierten offenen Büro mit fast quadratischem Grundriss. Dieser wird einzig durch Glastrennwände mit großen Schiebetüren unterteilt, die den Arbeitsbereich von den Rückzugs- und Besprechungsräumen trennen.

Vorraum und Teeküche

Die vorher zugeschweißte Tür wurde reaktiviert und der Vorraum durch das große Möbel vom Arbeitsbereich abgeschirmt. In dieser Pufferzone ist nun das störungsfreie Betreten der Bürofläche möglich.

Die „Rückseite“ des Einbaumöbels bildet mit der integrierten Teeküche das Bindeglied zwischen Büro und Vorraum. Neben dem Zugang zu den WCs im Schrank befindet sich hier auch die Garderobe unter der Treppe zum oberen Bereich. Die Materialität der Treppe stellt die optische Verknüpfung zwischen dem eher industriellen unteren und dem eher wohnlichen oberen Teil des Büros her.

Toiletten

Das komplette Innere des Einbauschranks ist in dunklen Farben gehalten. Das gilt nicht nur für den Stauraum und die Teeküche, sondern auch für die WCs für Damen und Herren mit dem kleinen Vorbereich mit Waschtisch. Die räumliche Beengtheit wird durch je einen Spiegel auf Vorder- und Rückseite aufgehoben, der den schlichten Raum durch den Spiegeleffekt optisch erweitert. Eine einzelne, schräg montierte Leuchte wird zum Zickzack in die Unendlichkeit.

Meeting / Wohnung

Über die neue Treppe erreicht man die sehr niedrigen Räume oberhalb der Hofdurchfahrt. Das wie ein kleiner Bauwagen in den langen Raum eingestellte neue Einbaumöbel beherbergt ein Duschbad und eine kleine Einliegerküche. Hierdurch ist im oberen Bereich neben der normalen Nutzung für intensive Meetings oder laute Runden auf der Spielkonsole auch die getrennte Verwendung als Wohneinheit für Gäste möglich. Der eigene Eingang direkt vom Treppenhaus unterstützt diese Möglichkeit. Entsprechend der Nutzung wurde der obere Bereich mit den Kiefernholzdielen und den Möbeln bewusst wohnlicher gestaltet.

Die Form des Einbaumöbels unter der Kappendecke erinnerte an einen Bauwagen, weswegen die Fronten mit senkrechten Rillen versehen wurden.

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