Der Umbau der Energieversorgung ist ins Stocken geraten. Auf lokaler Ebene scheint es mit der Wende dennoch voranzugehen – wie die neue Zentrale der Stadtwerke Verden zeigt. Das Gebäude im Passivhausstandard setzt aber nicht nur ökologische und soziale Standards, sondern bietet auch den Mitarbeitern ideale klimatische und ergonomische Bedingungen sowie viel Raum für persönliches Miteinander.
Deutschland produziert Strom wie nie zuvor. Die Brutto-Stromerzeugung stieg im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent. Der Stromverbrauch in Deutschland sank allerdings um 1,4 Prozent, während der Export einen historischen Höchstwert erreichte. 2012 steuerten Erneuerbare Energien laut Bundesregierung 22,9 Prozent zum deutschen Bruttostromverbrauch bei – Tendenz steigend. Geholfen hat es den Verbrauchern wenig. Die Strompreise kletterten auf Rekordniveau. Schuld daran ist die EEG-Umlage, die den Preis für Strom aus Erneuerbaren Energien festsetzt. Je mehr Öko-Strom in die Netze gespeist wird, desto billiger wird zwar der Strompreis an der Börse, aber für die Differenz zwischen dem Preis auf dem freien Markt und der festgesetzten Vergütung für Öko-Strom kommen die Verbraucher auf. Überdies zahlen sie für Unternehmen mit, die von der Umlage befreit sind. Die einzige Chance, die Kosten in den Griff zu kriegen, kann also nur heißen, Energie einzusparen und sie effizient zu nutzen.
Energisch autark
Das sieht Jörg Leiermann, Geschäftsführer der Bremer Green Village GmbH, ganz genauso – weshalb der Dienstleister auch beim Neubauprojekt der Stadtwerke Verden den Zuschlag für die Projektsteuerung erhielt. „Wenn nicht ihr, wer sonst?“, lautete sein Argument, als es um die Optimierung der Technik und Energiebilanz des neuen Verwaltungsgebäudes ging. Es zog. Im Rahmen Architektenwettbewerbs hatte der Energieversorger acht Büros eingeladen, Entwürfe für ein neues Verwaltungsgebäude zu präsentieren. Die Standortverlagerung wurde aufgrund städtebaulicher Planungen notwendig. 28.000 Euro ließ sich die Stadt den Wettbewerb kosten, aus dem zwei Sieger hervorgingen, die ihre Entwürfe in einigen Details überarbeiten mussten. Dafür kaufte man sich der Bauherr das Knowhow von Green Village ein. Den Zuschlag erhielt schließlich das Büro Dreischoff + Partner. „Heute sind die Stadtwerke energetisch nahezu autark und beziehen ihre Energie zu 100 % aus Erneuerbaren Energien“, sagt Leiermann.
Gesamter Lebenszyklus im Fokus
Green Village ist auf nachhaltiges Immobilienmanagement spezialisiert. Die Bremer helfen Bauherren mit ihrem „integralen“ Ansatz, die Gestehungs- und Betriebskosten über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie zu optimieren. Dabei setzen sie vor allem auf die intensive Zusammenarbeit aller am Bau beteiligten Disziplinen, um Einsparpotenziale zu heben. Green Village fungiert dabei als outgesoucter Bauherr. Ebenso wichtig ist in diesem Modell die ganzheitliche Planung von „innen nach außen“. Beim nachhaltigen Bauen spielen nicht nur ökologische Fragen, sondern auch ökonomische Aspekte eine Rolle. „Was ist“, sagt Jörg Leiermann, „wenn der Bauherr nach 10 oder 15 Jahren die Immobilie aufgibt? Dafür braucht es flexible Raumstrukturen, die sich über den gesamten Lebenszyklus des Objektes veränderten Arbeitswelten anpassen, aber dennoch im Planungsansatz den Menschen und die Unternehmenskultur in den Mittelpunkt stellen.“ Schließlich fließt auch eine soziokulturelle Komponente bei der Bewertung nachhaltigen Bauens ein. Damit ist vor allem die Beteiligung und Mitwirkung der Mitarbeiter im Planungsprozess gemeint. Alle Aspekte wurden in dem ambitionierten Neubauprojekt so gut umgesetzt, dass es bereits in der Planungsphase von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), Stuttgart, mit Silber vorzertifiziert wurde.
Keine Mehrkosten
Der Verwaltungsteil besteht ausschließlich aus umweltfreundlichen, ressourcenschonenden Baustoffen. Die Gebäudehülle ist in Passivhausstandard umgesetzt; das innovative Energiekonzept unterschreitet die aktuellen Anforderungen der Energieeinsparverordnung um etwa 50 Prozent. Neben einer Photovoltaikanlage realisierten die Stadtwerke Erdwärmesonden in Verbindung mit zwei biogasbetriebenen Erdwärmepumpen. Eine stromintensive Klimaanlage sucht man vergebens, stattdessen sorgt die Betonkernaktivierung für angenehme, natürlich Kühlung durch moderne Raumluftechnik. Ein Gründach reduziert zusätzlich das Aufheizen der Innenräume. Große Fensterflächen und transparente Wandelemente – hier setzte man auf das flexible Wandsystem HORIZONTE von König + Neurath – sorgen für natürliches Licht in den Büros und den Mittelzonen. Reicht das Tageslicht nicht aus, kommen Hybridlampen zum Einsatz, die LED-Technik mit energieeffizienten Leuchtstofflampen kombinieren. Die Baukosten von 8,5 Mio. Euro wurden trotzdem eingehalten. „Ein zertifiziertes Gebäude“, betont der Immobilienoptimierer, „ist nicht teurer, aber in den Betriebskosten deutlich geringer als konventionelle Objekte.“
Bedarfsanalyse am Anfang
Bei der Konzeption der Arbeitsplätze folgten die Stadtwerke dem Bedarf der Nutzer. Am Anfang stand eine Bedarfsanalyse. „Viele Gebäude entstehen“, glaubt Jörg Leiermann, „ohne eine intensive Auseinandersetzung mit der späteren Nutzung und den Menschen, die darin arbeiten müssen.“ Verden zeigt, dass es auch anders geht. Der Immobilienoptimierer beobachtete Arbeitsabläufe und befrage Mitarbeiter nach ihren konkreten Wünschen an ihren neuen Arbeitsplatz. Ein Ergebnis: mehr Kommunikation auf allen Ebenen. Heraus kam ein Konzept, dass auf jeder Etage des dreigeschossigen Gebäudes dem Bedürfnis nach mehr Dialog und Transparenz, aber auch nach konzentriertem Arbeiten in Einzel-, Doppel- und Dreierarbeitsplätzen Rechnung trägt. Ursprünglich konzipierte Wände wurden so wieder herausgenommen, der Bürobereich komplett neu strukturiert. „Anfänglich gab es, gerade bei älteren Mitarbeitern“, so Leiermann, „Bedenken, aber die Einrichtung einer Design-Arbeitsgruppen und die ständige Dokumentation des Baufortschritts im Internet räumten alle Befürchtungen aus.“
Das Beste aus zwei Welten
Die insgesamt 70 Arbeitsplätze wurden schließlich zum Spiegelbild der Unternehmenskultur. Wie an die Gebäudehülle, so formulierten die Stadtwerke auch hohe Ansprüche an die Nachhaltigkeit der Büroeinrichtung. „Dieser Aspekt“, sagt Jens Fislage vom Einrichter BKE Fislage in Ritterhude, „war ein ganz entscheidender Aspekt bei der Wahl des Interieurs.“ So hätten einige Anbieter keine entsprechenden Nachweise hinsichtlich der Emissionen von Stoffen vorweisen können, was beim nachhaltigen Bauen zu Problemen führen könnte. Die Anforderungen der DGNB an die Raumluft sind hier deutlich strenger als es der Gesetzgeber verlangt. Aber auch funktionale Gesichtspunkte waren bei Planung entscheidend, etwa die Erfüllung der hohen Schallschutzvorgaben. So erhielten nicht nur die Stauraumöbel ACTA CLASSIC und ACTA PLUS Akustikfronten, sondern auch die HORIZONTE-Raumteilerwände in den Mittelzonen zusätzliche Akustikpaneelen mit Motiven aus der Bilderwelt der Stadtwerke Verden. „Auch hier verlangen die DNGB-Vorgaben deutlich mehr als der Gesetzgeber“, so Jens Fislage. Alle Zellenbüros wurden mit dem mit dem Arbeitsplatzprogramm DO IT.4 samt Containern und dem innovativen LAMIGA-Drehstuhl, der sich an alle Bewegungen des Rückens anpasst, eingerichtet. Beim Konferenzraum im Staffelgeschoss entschieden sich die Stadtwerke für Tische aus der CONLINE.K-Reihe und elegante, in grauem Leder gehaltene CHARTA-Stühle, die einen repräsentativen, aber zugleich zurückhaltenden Auftritt bieten. Alle Mittelzonen – jede Etage verfügt Rückzugsmöglichkeiten zur Erholung und Raum zur informellen Kommunikation – erhielten das wandlungsfähige NET.WORK.PLACE-Mobiliar wie PULBICA Loungesessel und Tische, das mit der CI-Farbe der Stadtwerke korrespondiert. „Die neue Einrichtung“, sagt Jens Fislage, „bietet das Beste aus zwei Welten: maßgeschneiderte Büros und offene Aufenthaltszonen mit Lounge-Charakter.“ Jetzt steht einem kreativeren und produktiveren Arbeiten in einem Gebäude, das hohe Standards setzt, nichts mehr im Wege.
Autor: Ulrich Texter
Bundesland: Niedersachsen
Land: Deutschland