Von Beginn an erhielt BOLLES+WILSON die Verantwortung für den äußersten Block dieses dichten und hoch urbanen Quartiersumbau, der sich beinahe nahtlos (und wie im Masterplan vorgeschrieben) mit dem angrenzenden kleinmaßstäblichen Stadtgefüge verbindet – zu einer Nachbarschaft. Der Randblock muss gleichzeitig abschirmen (Verkehr) und einladen (Fußgänger), er muss Signal sein und respektvoll seinen Platz in der Fassadensequenz einnehmen, welche die historische Grenze der mittelalterlichen Stadt markiert. Einleitende Workshops zum Planungsgebiet brachten Ver- treter aus Nachbarschaft und Stadt mit Entwicklern und Architekten zusammen – BOLLES+WILSON, Claus en Kaan, Jo Crepain und Kraaijvanger Urbis (die auch für das großformatige, unterirdische Parkhaus zuständig waren).
Der komplexe funktionale Mix des BOLLES+WILSON Gebäudes begann mit einem großen und sieben kleinen Kinos auf den oberen Etagen, einem unterirdischen Kasino und einem darunter gelegenen Parkdeck (für Croupiers und Spieler). Bereits in dieser Phase waren die beiden Funktionen durch eine Passage getrennt, die von der sichtbaren, repräsentativen Außenfassade in das vernetzte Blockinnere führte. Die Frage nach Maßstab und historischer Referenzierung des fensterlosen Bioscoop Monoliths mündete an dieser Stelle in eine Kinoleinwandähnliche Fassade mit einer nahezu popartigen Grafik – ein riesiger Siebdruck des historischen Stadtplans Haarlems, auf die Rückseite der Kinoleinwände montiert (das stabile Bild der Stadt – die Realität der Medien). Der Gestaltungsbeirat Welstand war (aus gutem Grunde) “not amused”. Daraufhin ging das Kino in den Untergrund und das Kasino kolonisierte die oberen Etagen. Beide erforderten auch nur wenige Fenster (das lenkt zu sehr von der ernsten Aufgabe ab, Geld in Maschinen zu werfen). Zu diesem Zeitpunkt wurde auch ein komplexes Stahlskelett eingearbeitet, welches die oberen Funktionen über die großformatigen Kinos „hängen“ sollte. Irgendwann wurde das Kasino zum Rathaus. Das war die ersehnte Gelegenheit, um über fehlende Fenster nachzudenken und einen Fenstertyp zu entwickeln, der entweder von der Fassadenlinie zurückgesetzt, bündig mit dem Mauerwerk oder aus der Fassade hervortretend eingesetzt werden kann.
Ein Rathaus ist zweifellos ein bedeutendes und repräsentatives Gebäude. Ihrer Pflicht nachkommend initiierten die neuen Nutzer eine weitere Reihe von Design-Workshops, geleitet von den verantwortlichen Zielen des Stadtrats Chris van Velzen: „Don’t forget the clock-tower“ und „think Dudok“ lauteten seine Anweisungen. Das Ergebnis war die Entwicklung einer artikulierten Backstein-Haut – einer Textur aus Schattenstrei- fen und flachen Feldern mit einer heller farbigen Mörtelfuge. Zur gleichen Zeit wurde das Volumen in einen Haarlem-angemessenen Maßstab modelliert mit Rücksprüngen an den Ecken und volumetrischen Verfeinerungen, die den Maßstab reduzieren. Das Büro Henk Döll hatte bereits ein neues Rathaus für Haarlem entworfen; sie kamen nun zum Workshop als Architekten für das Interieur der Stadtverwaltung hinzu.
In einer frühen Phase der Projektentwicklung war die Erhaltung des Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert auf dem Kinogelände diskutiert worden. Erwartungsgemäß war dies inkom- patibel mit den neuen Funktionen. Die Alternativstrategie für BOLLES+WILSON bestand darin, verschiedene signifikante und fein gearbeitete Bauelemente zu erhalten und diese – vorsichtig restauriert – wieder in den neuen Block einzuarbeiten. Der Einsatz von Carlo Scarpa’s Verona Technik, bedeutsame Fragmente vor tragende Wände zu hängen, umgeht den „Pa- stiche“ und präsentiert dem aufmerksamen Besucher eine historische Schichtung, einen Subtext, der verortete Momente animiert und artikuliert. Zwei Statuen, die vielleicht einmal ei- nen Diskurs zu „Tugend“ oder „Klugheit“ angestoßen haben mögen, finden sich nun wieder, auf einem maßgeschneiderten Balkon und Podest sitzend, den Innenplatz überwachend oder als verankernder Engel in den Fluss von Verkehr und Parkhaus-Eingang gestoßen. Weitere Bögen, Skulpturen, gemeißelte Steinreliefs von Schiffen und Ankereisen sind behutsam angeordnet, um Straßenräume, Blendmauern oder den Durchgang zu beleben, der den Block teilt und die innere (Raaks Kwartier) mit der äußeren Welt verbindet – eine weitere sequentialisierte und choreographierte Raumentfaltung.
INTERIEUR –  Döll Architecten waren für die Innenraumgestaltung, Bürolayout und das „Finishing“ verantwortlich. Für seine Nachhaltigkeit gemäß den niederländischen GPR- Qualifikationen erhielt das Gebäude 8 von 10 Punkten. Von der Zijlvest betritt der Besucher die neue Halle mit Schaltern, Beratungsräumen und Selbstbedienungsterminals. Die große Halle mit ihrem Mezzanin ist synoptisch, weit und hell. Die oberen Etagen bestehen aus flexiblen und offenen Arbeitsplätzen für drei Stadtbezirke – eine Kombination aus klassischen Büros, offenen Arbeitsbereichen, Besprechungs- räumen und Begegnungsorten. Inspiration für die Atmosphäre des Gebäudes war das Gemälde „Pekelharing“ aus dem 17. Jahrhundert der Haarlemer Malerin Judith Leyster. Ruhiger, geometrischer Hintergrund + sich abhebender, farbiger Vordergrund, Prinzipien kontrastierender Form, Material und Farbe sind ebenso im Innenraum des Raakspoorts zu finden, – ruhige neutrale Arbeitsplätze, animierte Begegnungsorte.
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