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8. Architektenforum am 1. Juni 2010 in Frankfurt: Identität und Kontext – Farbgestaltung im städtischen Raum

Brillux..mehr als Farbe
8. Architektenforum am 1. Juni 2010 in Frankfurt: Identität und Kontext – Farbgestaltung im städtischen Raum

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Es war spannend und hochkarätig besetzt. Es bot vielfältige Einblicke in spannende, inspirierende Projekte. Und es war vor allem auch ein klares Bekenntnis für Farbe. Das 8. Architektenforum am 1. Juni am Westhafen in Frankfurt am Main begeisterte die anwesenden Planer und Architekten.

Es war spannend und hochkarätig besetzt. Es bot vielfältige Einblicke in spannende, inspirierende Projekte. Und es war vor allem auch ein klares Bekenntnis für Farbe. Das 8. Architektenforum am 1. Juni am Westhafen in Frankfurt am Main begeisterte die anwesenden Planer und Architekten.

Unter der engagierten Moderation von Burkhard Fröhlich stellten sich der Psychologe und Professor für Architekturtheorie Riklef Rambow (Karlsruhe und Cottbus) und die Architekten Lars Krückeberg (GRAFT, Berlin) und Ritz Ritzer (bogevischs büro, München) dem Thema „Identität und Kontext – Farbgestaltung im städtischen Raum“.
Doch bevor die profilierten Referenten zu Wort kamen, stand zum Auftakt bei traumhaftem Wetter zunächst eine Architekturexkursion auf dem Programm. Hier konnten die Gäste des 8. Architektenforums aus insgesamt fünf Touren auswählen: Tour 1 ging zum neuen KfW-Gebäude, dessen farbige Paneel Fassade deutlich die Handschrift des Berliner Architekturbüros Sauerbruch Hutton trägt. Das zweite Projekt dieser Bustour war der von Prof. Mäckler entworfene, gerade fertig gestellte OpernTurm. Tour 2 führte zum nach Plänen des Frankfurter Architekturbüros KSP wieder aufgebauten, kriegszerstörten „barocken“ Palais von Thurn und Taxis und der aus der Feder des Büros von Massimiliano Fuksas stammenden Einkaufsmall MyZeil. Das von Peter Behrens entworfene Bürogebäude der ehemaligen Farbwerke Höchst war das Ziel von Tour 3. Die Gäste von Tour 4 erlebten die aerodynamische Form des Airrail Centers, dessen Form an große Flugzeuge und Schiffe erinnert. Nach Entwurf des Frankfurter Büros JSK architects entsteht hier ein Komplex mit 140.000 m² Nutzfläche, wovon der größte Teil als Büros genutzt werden wird. Im Mittelpunkt von Tour 5 stand der Westhafentower, der ebenso wie der Westhafen Pier, in dem das Brillux Architektenforum stattfand, von Schneider + Schumacher entworfen wurde.

„Psychologische Anmerkungen zur Farbe in der Architektur“, so titelte Prof. Dr. Riklef Rambow [Karlsruhe und Cottbus], seinen Vortrag zum Thema „Identität und Kontext“. Seine Ausführungen widmeten sich einigen sehr zentralen Fragen: Wie geht die Psychologie mit dem Thema Farbe um? Was macht das Thema Farbe so schwierig? Welche Einflussfaktoren, Interaktionen und Wirkebenen von Farbe gibt es? Anhand zahlreicher Beispiele wie der Stadt Bosa auf Sardinien, dem Paul-Löbe-Haus, dem ARD Hauptstadtstudio sowie der Kindertagesstätte Französisch-Buchholzin und der KiTA Jerusalemer Straße (alle in Berlin) und des Informations-, Kommunikations- und Medienzentrums in Cottbus zeigte er die kontextualen Zusammenhänge zwischen Farbe und Architektur auf. Seine Botschaft lautet: „ Farbwahrnehmung in der Architektur muss immer im Kontext der gesamten Architekturwahrnehmung und -nutzung betrachtet werden. Die Farbwahrnehmung ist ein integraler Bestandteil einer in mehreren Sinnesmodalitäten in einem bestimmten Handlungszusammenhang erfahrbaren räumlichen Umgebung.“ Als sehr zutreffend empfindet Riklef Rambow das von Burkhard Fröhlich in der Anmoderation vorgetragene Zitat aus dem Jahr 1901 von Fritz Schumacher „Es ist sehr schwer ein Gebäude, das nicht von Anbeginn an auf Farbe berechnet ist sozusagen durch die Wahl des Materials oder die Tönung farbig zu machen. Die ganze ästhetische Ökonomie eines Gebäudes muss von vorneherein auf Farbe ausgelegt sein.“ Seiner Auffassung nach ist für die Farbempfindung eines Gebäudes meist die Eingangssituation verantwortlich, da diese in der alltäglichen Begegnung mit dem Gebäude den zentralen Eindruck macht.

Ritz Ritzer [bogevischs buero, München] ordnet Farbe in der Architektur drei zentrale Aufgaben zu: Referenz, Identität und Orientierung. Wann und wo immer möglich, werden in seinem von ihm mitbegründeten bogevischs buero individuelle Entwurfsansätze im engen Dialog mit dem Bauherrn weiterentwickelt und umgesetzt. Dabei spielt neben der räumlichen Figuration und der intensiven Detailplanung vor allem die Fassadenentwicklung in Form und Farbe eine wesentliche Rolle. Mit im Gepäck hatte Ritz Ritzer drei spannende Münchner Projekte. Die Studentenwohnanlage am Felsennelkenanger wurde in der Entwurfsphase gerne als „Ein rotes Etwas in einem großem Grünen“ bezeichnet. Und das ist die 545 Wohnplätze für Studenten umfassende Anlage auch noch heute. Vorbild und Inspiration für die Farbgebung war die Felsennelke, die auf dem Grundstück entdeckt wurde. Bereits im Mittelalter wurde die Felsennelke genutzt, um rote Farbpigmente zu erhalten. „Für uns war diese Wiese zunächst heimatlos. Die Frage war: Wie können wir uns hier beheimaten, also einen Bezug herstellen? Wir nahmen die Adresse „Am Felsennelkenanger“ und haben das Gebäude als ein felsennelkenrotes Gebäude in einer grünen Heide entwickelt.“ Aus der Felsennelke wurden dazu sieben verschiedene Rottöne herausgestellt, die der 250 Meter langen Fassade ihre Monumentalität nehmen und ihr Natürlichkeit geben. Das zweite Projekt „Wohnanlage Drei Höfe in München-Neuhausen“ ist ein Beispiel für Farbe als Identifikation. Die Genossenschaft stellte zunächst die Frage, wie man eine städtebauliche eher ungünstige Situation verbessern kann. Indem zwei der drei Blöcke abgerissen wurden, entstand ein toller neuer Zusammenhang. Die ursprüngliche Bebauung hatte insgesamt sieben Treppenhäuser ohne Lift, was heute bei einer 5-geschossigen Bebauung unmöglich ist. Die Idee war, die Flächen dieser sieben Treppenhäuser auf zwei zu verteilen. Die neuen großzügigen, beinahe riesigen Treppenhäuser haben in der Genossenschaft eine sehr wichtige Funktion, denn hier trifft sich jeder. Sie sind wie eine Nabelschnur, die vom Keller bis zur Dachterrasse führt und an der alle Wohnungen hängen. Die intensive rote Farbgebung des Treppenhauses wurde zunächst sehr skeptisch betrachtet. Doch heute ist die Stimmung sehr gut und die Menschen bringen ihre Identifikation mit Worten zum Ausdruck wie „Ich wohne in dem Haus mit diesem roten Treppenhaus.“
Bei der Erneuerung des Olympischen Dorfes in München gibt die Farbgestaltung Orientierung. Ursprünglich hatte Ott Eichel nur die Türen mit Farbe versehen: Durch Kombination von Farben und einem größeren und einem kleineren Quadrat hatte er es geschafft, gestalterisch 800 verschiedene Türen herzustellen. Dennoch stellte sich das zwischen den späten 60er Jahren und 1972 entstandene Olympische Dorf als sehr grau, sehr trist dar. So kamen die Studenten auf die Idee, sie zu bemalen. Auf diesen Zug sprang das Studentenwerk auf und stellte den Studenten fortan hierfür Farbe zur Verfügung. So wurde das Olympische Dorf im Lauf der Jahre zu einem kynetischen Gesamtkunstwerk. Aufgrund des völlig maroden Rohrsystems unterhalb der Häuser bestand schließlich Sanierungsbedarf. Da diese jedoch das gleiche gekostet hätte wie ein Neubau, entschied man sich für die Erneuerung. Aktuelle Förderrichtlinien machten es notwendig, die Häuser auf Dreiviertel ihrer ursprünglichen Größe zu verkleinern. Eigene Tür, eigene Küche, eigenes Bad – auch heute ist es ein entscheidendes Charakteristikum, dass hier jeder individuell seine Haustür hat. Das Farbkonzept des unter Ensembleschutz stehenden Olympischen Dorfes basiert auf einer reduzierten Farbigkeit außen und deutlicher Farbgebung der Innenräume. Doch auch jetzt hat jeder Bewohner das Recht, seine Fassade selbst zu gestalten.

Das Architekturlabel GRAFT zählt zu jener international ausgezeichneten Garde, die mit einem erweiterten und amorphen Formvokabular experimentiert und sich mit neuen Möglichkeiten der Parametrisierung von Volumen und Raum auf unterschiedlichen Ebenen auseinandersetzt.
Graft Mitbegründer Lars Krückeberg [GRAFT, Berlin] befasste sich in seinem inspirierenden Vortrag vor allem mit der Kraft der Narration und erzählte, wie sein Büro zu dem Namen Gaft kam: „Warum mögen wir die Reblaus? Dahinter steckt eine Geschichte. Französische Winzer hatten mit der Reblaus einen amerikanischen Parasiten eingeführt, der den europäischen Wein beinahe vollständig ausrottete. Wer kann sich Europa ohne Wein vorstellen? Die Lösung zur Rettung des Weins sah vor, eine amerikanische Wildwurzel zu nehmen, die gegen diese Parasiten resistent ist und auf diese Cowboy-Wurzel den Weinstock aufzupfropfen. Und propfen heißt grafting. Das Fusionieren von Dingen, von vermeintlichen Gegensätzen ist eine interessante Mythologie. Wir glauben, das das formal und kulturell ein interessanter Weg ist, globalen Problemen zu begegnen.“

Farbe hat Lars Krückeberg immer interessiert. Farbe als Farbverstärker. Als Farbrausch. Als Farbbekenner. Seiner Überzeugung nach ist es wichtig, in jeder Lebenslage Farbe zu bekennen. Eine Erkenntnis, zu der Lars Krückeberg auch seine Kunden motiviert, wie die von ihm präsentierten Referenzprojekte sehr eindrucksvoll belegen. Farbe in Kombination mit einer höchst ungewöhnlichen Formen- und Materialsprache machen den einmaligen Charme des Berliner Design Hotels „Hotel Q“ aus. Auch das Design Hotel Emperor Inn in Beijing, China, vermittelt tolle Eindrücke, wie faszinierend der mutige, gezielt komponierte Einsatz von Farbe sein kann. Als nächstes Projekt stellte Lars Krückeberg die Zahnklinik KU 64 in Berlin vor. Und erzählte auch hierzu eine Geschichte: „Eines Tages erhielt ich einen Anruf von Dr. Ziegler. Er sagte ‚Ich möchte, dass Sie mir eine Zahnarztklinik bauen, die nicht wie eine Zahnarztklinik aussieht.’ Auch hier näherten wir uns der Lösung erzählerisch.“ Das Ergebnis ist eine Umgebung, in der Angst vorm Zahnarzt gar nicht erst aufkommen kann, denn man liegt als Patient in bequemen Liegen, lauscht einem prasselnden Feuer und genießt dabei leckeren Cappuccino. „Die Verbindung von Hospitality und Hospital ist ein Trend, den wir sehen. Und es macht viel Sinn, sich damit zu beschäftigen, denn es wird immer mehr Geld in privater Krankenpflege angelegt.“

Auch in der anschließenden Podiumsdiskussion ging es um Farbe. Burkhard Fröhlich wollte von den drei Referenten wissen: Gibt es eigentlich Trends in der Architektur mit Farbe? Die Antwort kam spontan und lautete „Natürlich!“. Als ein Beispiel wurde der Trend zu starker Farbigkeit genannt, der die pastelligeren Farben abgelöst hat. Dabei waren sich die Referenten darin einig, dass der Einsatz von Farbe Mut braucht, wie Riklef Rambow deutlich zum Ausdruck brachte: „Farbe ist etwas Abhängiges und durchaus angstbesetzt, denn man hat natürlich Angst, es zu übertreiben und irgendwie platt rüberzukommen. Das merkt man oft in Diskussionen auch in der Hochschule. Die sicherste Lösung scheint dann zu sein, Finger weg, dann machen wir es weiß, einfarbig, möglichst schlicht weiß, damit man nichts verkehrt macht. Und das ist natürlich falsch. Denn was am meisten weh tut sind verdreckte weiße Fassaden.“ Farbbekenner Lars Krückbeberg äußerte sich so: „Für mich ist Farbe Lebensfreude. Keine Aufgabe ist gleich. Jedes Projekt ist anders. Es ist ganz wichtig, die richtige Frage direkt am Anfang zu stellen. Der Bauherr stellt uns an, weil wir Profis sind. Das Gewohnte kann er selbst. Das Ungewohnte ist unsere Aufgabe. Und das finden wir indem wir lange zuhören, was er braucht und dann etwas entwickeln, was er braucht aber sich nicht selbst ausdenken kann.“

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