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Neuer Ort, altes Heimatgefühl

STUDIE
Neuer Ort, altes Heimatgefühl

Neuer Ort, altes Heimatgefühl
Die Visualisierung von Anna Laura Hölz zeigt die neue Kirche: Sie ist zum größten Teil aus Abrisssteinen errichtet, die beim Rückbau der Dörfer anfallen und schon vorher aus der Region kamen. (Visualisierung: Anna Laura Hölz)
Umsiedelung wegen Braunkohle:

Anna Laura Hölz von der FH Münster entwickelt Ideen, wie Architektur die Identität einer Region bewahrt

Münster (13. Februar 2018). Der Immerather Dom musste bereits weichen – und ganze Dörfer werden folgen. RWE Power weitet seinen Braunkohle-Tagebau aus, und deshalb müssen viele Menschen umsiedeln. Es entstehen für sie zwar neue Dörfer. „Aber die neuen Orte haben in der Regel nichts mehr von der alten Atmosphäre, nichts erinnert mehr an Heimat – eigentlich sind sie etwas völlig Fremdes“, sagt Anna Laura Hölz. Sie hat gerade ihren Master am Fachbereich Architektur der FH Münster, der Münster School of Architecture (MSA), abgeschlossen und spricht aus eigener Erfahrung. „Ich habe das selbst seit der Kindheit mitbekommen. Ganze Landstriche mit zahlreichen Baudenkmälern müssen weichen und auf der anderen Seite entstehen gesichtslose Orte, ohne den regional typischen Charakter, ohne Identität.“
Dass es aber anders gehen kann, beweist Hölz in ihrer Masterarbeit „Neuland“, die Prof. Kirsten Schemel betreut hat. Darin hat sie für die Orte Berverath, Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich und Unterwestrich einen gemeinsamen neuen Ortskern entworfen. Ungefähr 1100 Einwohner siedeln in den Norden der Stadt Erkelenz um. „Ich wollte im Entwurf möglichst viele Aspekte aufgreifen, die die Menschen an ihre Heimat erinnern – beispielsweise lokale Materialien oder typische Formen.“ Dafür schaute sie sich vor Ort ganz genau um, sprach mit vielen Bewohnern und wertete Interviewbögen aus. So kam unter anderem heraus, dass sich die Einwohner für ihre neue Heimat viele Grünflächen, aber auch eine Kita vor Ort wünschen und grundlegende Infrastruktur wie einen Dorfladen, aber auch Vereine und Freizeitmöglichkeiten wichtig finden.
Hölz‘ Entwurf bündelt diese Anforderungen mit den heimatlich-architektonischen Eigenheiten der fünf Dörfer und vereint sie in einem zeitgenössischen Entwurf mit symbolischen Details. „Im Zentrum stehen die öffentlichen Gebäude: Die Kirche, deren alte Größe und alte Töne – die Orgel, die Glocken – habe ich komplett übernommen. Und ein auseinandergezogener Vierkanthof – er fungiert quasi als Dorfhof, als geschütztes Areal, an dem öffentliches Leben stattfinden kann.“ Solche Vierkanthöfe sind typisch für die Gegend der Erkelenzer Börde, genau wie rote Ziegel, Aachener Blaustein, landwirtschaftliche Geräte an Fassaden, Dreiecksmuster auf Toren und unterschiedliche Dachhöhen der Häuser. Geprägt ist sie außerdem von einstmaligen Adelssitzen und Rittergütern, und vielen Quellen der Niers. „Deshalb habe ich vor der Kirche auch einen Brunnen platziert, der an die Niersquelle erinnern soll, die es so bald nicht mehr geben wird“, sagt Hölz. „Und die Kirche ist im Entwurf zum großen Teil aus Abrisssteinen errichtet, die beim Rückbau der Dörfer anfallen und schon vorher aus der Region kamen. So lässt sich ein Stück Geschichte mitnehmen.“ Im Gebäude des Vierkanthofes sind eine Kita und eine Altenbetreuung untergebracht, zusammen mit integriertem Dorfladen, Gaststätte und Arztpraxis, dazu eine Mehrzweck-Sporthalle, Pfarrei und ein kleines Heimatmuseum zum gemeinsamen Erinnern. Draußen gibt es Spielplätze, einen Bauerngarten, eine Streuobstwiese. Sehr viele der umsiedelnden Menschen pflegten in ihrer Heimat nämlich Landwirtschaft oder große Gemüsegärten.
Worauf Hölz auch zurückgreifen würde, wenn die neuen Dörfer gestaltet werden: Die in Erkelenz ansässige Ziegelei. „Aus ihrem Ton habe ich auch mein Modell für den Entwurf gebaut, das passt zur Aussage der Arbeit.“ Mit Metallspachteln musste sie das Material in Stücke schneiden und modellieren. Dafür hatte sie nur 24 Stunden Zeit – sonst wäre der Ton zu hart zum Formen geworden. „Teils habe ich ihn in Wassereimern gelagert. Das war schon anstrengend, das Modell an nur einem Tag zu erstellen, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt.“
Hölz ergriff auch die Möglichkeit, ihr Modell beim Bauamt der Stadt Erkelenz vorzustellen. Was oder ob etwas von ihrem Entwurf umgesetzt wird, ist aktuell ungewiss. Aber schon ihr Besuch stimmte die 26-Jährige positiv. „Ich freue mich, wenn ich mithelfen kann ein Bewusstsein zu schaffen, dass regionale Architektur den Menschen bei der Umsiedlung und ihrem Heimatempfinden helfen kann!“

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