»Meditieren in der Bruder-Klaus-Kapelle von Zumthor« – Ein feste Burg ist unser Gott, oder anders gesagt: ein ganz schön grober Klotz. Steht abweisend herum, fremd und rätselhaft. Ringsumher Wälder, Felder, sanft geschwungene Hänge am Nordrand der Eifel, und mittendrin, zwölf Meter steil, ein Zeichen der Uneinnehmbarkeit. Doch sollte sich keiner täuschen: Dieser Gott führt ein Doppelleben. Wer hineinschlüpft durch die dreieckige Pforte, für den zieht sich die Welt zusammen. Abweisende Härte wird bergende Stille.
Zwanzig Jahre ist es her, dass ein Bauer und seine Frau auf die Idee verfielen, am Feldrain, zwischen Dinkel und wilden Malven, mit einem Kapellchen ihre Dankbarkeit zu bekunden: für ein reiches, behütetes Leben. Sie suchten einen Architekten und fragten nicht irgendwen, sondern den Schweizer Peter Zumthor, der oft als Mönch der Moderne beschrieben wurde, als betonverliebter Mystiker. Anfangs brummelte er streng, das ist so seine Art, doch irgendwann, als die Bauern schon dachten, es werde wohl nichts mit ihrem Kirchlein, rückte er seine Entwürfe heraus. Sehr eigen, sehr wundersam.
Aus 112 Fichtenstämmen ließ Zumthor eine Art Urhütte aufstellen, ein Glaubenszelt mit tropfenförmigem Grundriss. Dann wuchs, Schicht um Schicht, der äußere Betonmantel empor, angerührt mit dem rötlich gelben Sand aus der Umgebung und auf althergebrachte Weise gestampft. Viele Freunde und Mitstreiter der Bauern halfen mit, und als schließlich, für die oberste Schicht, auch der Architekt Hand angelegt hatte, wurde im Inneren ein Köhlerfeuer entzündet, das so lange schwelte, bis die Fichtenschalung halb verkohlt war und man die Stämme leicht herausziehen konnte. Zurück blieb: eine Höhle. Rau und geschwungen die Wände, an denen sich die Abdrücke der Baumborke zeigen. Wer möchte, darf das spirituell verstehen: als Hinweis auf die Anwesenheit des Abwesenden.
Geweiht ist die Kapelle dem Bruder Klaus, der als Niklaus von Flüe im 15. Jahrhundert von sich reden machte, weil er sein Normalleben verließ, um fürderhin Gott und ebenso den Menschen zu dienen. Ein Eremit und ein Schlichter, den man aufsuchte, um politische Streitfälle aufzulösen. Ein Mann, nicht von dieser Welt und doch mittendrin – und in dieser introvertierten Extrovertiertheit der Zumthorschen Kapelle sehr ähnlich.
Wie gemacht scheint das kleine Bauwerk, um die vielen harten Gegensätze der Gegenwart für einen Augenblick zu transzendieren. Ein Ort, der auf archaische Weise modern ist, weich und kantig zugleich, hell und dunkel. Wer hier eintritt und sich auf dem Bänkchen aus Lindenholz niederlässt, hält Einkehr bei sich selbst und unwillkürlich Ausschau nach dem Höheren. Denn die Kapelle hat keine Fenster und kein Dach, nur ein offenes Himmelsauge. Und so zieht es den Blick hinauf, wo die Wolken treiben oder gerade mal wieder ein kräftiger Schauer hereinpladdert. Hier unten ist man behütet, nicht aber verschluckt. Man riecht noch das Feuer, fühlt die Erde, spürt die Elemente – und stellt sich für einen Moment vor, wie es wäre, so ein Leben als Eremit, dem Wesentlichen verpflichtet.
Dann tritt man hinaus aus Zumthors Einsiedelei, und wie weit ist mit einem Mal der Horizont, wie hell der Himmel. Wie schön ist es, in der Höhle zu sein. Und wie belebend, sie zu verlassen. (Text: Hanno Rautenberg in: Zeit Online)
Wo: Mechernich-Wachendorf
Wann: Während der Sommerzeit ist die Kapelle von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet, während der Winterzeit von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Montags bleibt die Kapelle geschlossen – außer an Ostern, Pfingsten und Weihnachten.
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