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Der Baumeister der Sinnlichkeit

Zum Tod des Architekten Gustav Peichl
Der Baumeister der Sinnlichkeit

Der Baumeister der Sinnlichkeit
Der österreichische Architekt Gustav Peichl (1928-2019) Bild: imago images / SKATA

»Der Baumeister der Sinnlichkeit« – Der Wiener Gustav Peichl gehörte einer Generation von österreichischen Architekten an, die die Moderne bauten: aus Form und Material, Farbe und Licht – und ohne die Tradition zu verleugnen. Im Alter von 92 Jahren ist der Künstler nun in seiner Heimatstadt gestorben. (Text: Von Beatrix Noxy)

Im September 1990, beim Richtfest der Bundeskunsthalle Bonn, ließ sich der Architekt Gustav Peichl zu seinem Werk befragen. Ziemlich grantig wies er die Charakterisierung des Gebäudes durch den Moderator des Gesprächs zurück: Das Wort „altägyptisch“ wollte er trotz der schmalen hohen Portale und Fenster, trotz der schlanken Säulen und der archaisch wirkenden Spitztürme auf dem Dach nicht gelten lassen. Und, nein, nicht „feierlich“ sei der Bau, sondern sinnlich, und sowas, ergänzte er mokant, verwechsle man nur oberhalb der Mainlinie. Als Österreicher hatte er nichts dagegen, bei den rituellen Käbbeleien à la „Felix Austria versus Teutonia“ ein bisschen mitzumachen:   

„Wir sind eher beliebt und angesehen in kleinen Dingen. Wir sind nicht für das Riesige, diese riesigen Elefanten, die am Potsdamer Platz gebaut werden. Wir Österreicher bauen lieber die kleinen Schmetterlinge.“ 

„Die Moderne nicht ausschalten“

Gegen die deutsche Architektur sei nichts zu sagen, meinte er einmal. Nur: Es fehle ihr an Schlampigkeit – ein anderer Ausdruck für Kreativität. Peichls Kreativität war das, was er „sinnlich“ nannte: das gleichberechtigte künstlerische Pendant zu Zweck und Funktion eines Gebäudes. Für ihn war es keine Frage, dass die Geschichte der Architektur weniger von Richtungen und Strömungen gelenkt wird, sondern von künstlerischen Persönlichkeiten. Als Künstler weigerte er sich, über die spitzhütigen Lichttürme auf der Bundeskunsthalle zu diskutieren. Die seien eben so! Punkt. Dabei ging es Peichl nicht um Spielerei. Wie sein großes Vorbild Otto Wagner war er der Moderne verpflichtet, wollte aber nicht nostalgische Schönheit liefern, sondern die „Schönheit der Vorgänge“ sichtbar machen. Peichl meinte,

„dass es notwendig ist, sich an die Tradition zu halten, aber die Moderne nicht auszuschalten. Und mit modernen Aufgabenstellungen, mit zeitgenössischen Materialien eine Architektur schaffen, die sich zur Tradition bekennt, aber schon progressiv ist.“

Bauen aus dem Zeichnen heraus

Der technischen Ästhetik, die Peichl aus Form, Funktion und Material ableitete, fügte er immer etwas ein, um die Architektur eben sinnlich zu machen: eine Kurve, eine Welle und immer öfter naturhafte Komponenten. Seine Phosphat-Eliminationsanlage – ein Klärwerk, das seit 1985 hilft, den Tegeler See in Berlin sauber zu halten – zeigt, wie Peichl der drohenden Banalität des Technischen entgegenwirkte. Die Zeichnung des Projekts erweckt den Eindruck, als habe er sich zunächst ein Raumschiff für einen Science-Fiction-Film ausgedacht: in Form einer Riesenameise mit drei symmetrisch angeordneten Antriebsrädern vorneweg. Große Kreise waren auch prägend in den sechs Landesanstalten, die er für den ORF bauen durfte: alle mit einem runden Zentrum, um das die anderen Gebäudeteile wie Tortenstücke versammelt sind. 

Das Bauen aus dem Zeichnen heraus galt bei Peichl als besonders ausgeprägt. Was auch mit seinem zweiten Beruf zusammenhing.

„Zunächst muss ich erklären dass ich seit 50 Jahren politische Karikaturen mache, ich habe schon Adenauer gezeichnet“ –

– ebenso wie Ludwig Erhard und Willy Brandt, denn außer für die österreichische Tageszeitung „Die Presse“ arbeitete er als „Ironimus“ unter anderem für die „Süddeutsche Zeitung“. Seine Karikaturen forderten nicht so sehr die Lachmuskeln heraus als die Bewunderung für feinst ziselierten Strich und leisen Witz. Es musste Peichl sein, der in Krems das erste österreichische Karikaturenmuseum bauen durfte. Dort haben auch seine eigenen Arbeiten ihren Ort gefunden – neben denen eines vergleichsweise brachialen Cartoonisten: Manfred Deix.

Architekt vieler Kulturhäuser

Der kühle Erweiterungsbau fürs Frankfurter Städel-Museum, der Neu- und Umbau der Münchner Kammerspiele, die Erdfunkstelle Aflenz in der Steiermark, die er unter einem grünen Hügel verschwinden ließ: Gustav Peichl hat sein Œuvre in Österreich und in Deutschland. Und bei allen Unterschieden, die er so gern betonte, fand er dann doch Gemeinsames:

„Berlin hat in der Art der Menschen sehr viel mit Wien gemeinsam: Grantig sind beide, sehr schlagfertig sind beide, und eitel sind beide!“

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